Des Kaisers Gespielin (German Edition)
am Tage in uns staute. Dabei schien es als könnten wir nicht sättigen, kein Moment verging in dem wir nicht füreinander bereit gewesen wären. Nicht noch einmal übertrat Ravenna dabei meine unausgesprochenen Grenzen. Doch manchmal ertappte ich sie dabei, wie sie mir mit hungrigen Blicken folgte und ich wusste, dass das Verlangen noch immer in ihr brodelte. Sie wollte mich besitzen und lauerte nur auf den Moment, in dem ich meinen Schild unachtsam senken würde. Ich wusste das, aber das Wissen tat meiner Zuneigung keinen Abbruch.
Wir befanden uns hier in einem geschützten Nest, Ravenna bestand darauf, dass ich das Zimmer nicht verlassen durfte und ich war darüber nicht unglücklich. Mit zu gemischten Gefühlen sah ich dem alltäglichen Leben und seinen Verpflichtungen inmitten so vieler anderer Personen entgegen. Meine Welt bestand für den Augenblick aus Essen, Schlafen, Körperpflege und Ravenna. Meine Welt war für mich überschaubar und fühlte sich wunderbar einfach an. Der Kaiser war fort und ich hatte sie ganz für mich allein. Was hätte ich mir noch wünschen können?
Mein schlechtes Gewissen regte sich nur dann ein wenig, wenn ich an Nona dachte. Einige Male hatte sie mir Nachrichten zukommen lassen, kleine dahin gekritzelte Zettel voller Fragen und Unsicherheit, die mir Ravenna manchmal nach ihren Bibliotheksbesuchen überbrachte. Keine davon hatte ich bisher beantwortet. Mir fehlten die Worte, um der sensiblen Nona zu erklären, warum ich sie verlassen musste. Was hätte ich auch sagen können? Dass ihre Freundschaft mir wertvoll war, aber der Hunger nach Ravennas Körper und Seele tausendmal schwerer wogen? Die Wahrheit war keine Option und mich beschlich immer wieder die Angst, dass sie meinen Auszug persönlich nehmen würde. Wie konnte ich ihr auch erklären, dass ich Ravenna mehr liebte als sie?
Nachdem ich mich schon beinahe einen Monat lang in meinem neuen Heim verkrochen hatte und meine Verletzungen schon längst wieder unsichtbar waren, fasste ich mir endlich ein Herz. An einem wunderbar sonnigen Nachmittag ging ich ungesehen zu meinem alten Zimmer und klopfte vorsichtig an die Tür.
„Ja?“, hörte ich ihre kleine hohe Stimme und trat ein.
Nonas Augen weiteten sich vor Überraschung, als sie mich erkannte und verlegen schenkte ich ihr ein kleines Lächeln.
„Hallo, Nona!“, unterbrach ich das Schweigen.
„Lila!“, rief sie endlich erfreut aus und eilte herbei um mir um den Hals zu fallen.
Lange hielt ich sie so fest, während sie mir unverständliche Worte ins Haar schluchzte.
„Du bist gesund...“, sie löste sich von mir und sah mich prüfend an, „ich dachte schon, du lägst im Sterben, so ein Geheimnis wurde um deinen Zustand gemacht. Ich freue mich so, dich wohlauf zu sehen.“
„Danke Nona, mir geht es wieder gut.“, antwortete ich beflissentlich und versuchte dabei nicht allzu schuldbewusst auszusehen. Was hatte man ihr erzählt?
„War es schlimm?“, fragte Nona aufrichtig besorgt.
Bei meiner Antwort schoss mir das Blut ins Gesicht: „Keine Sorge, ich muss mich wohl beim großen Fest mit irgend etwas angesteckt haben. Ravenna hat sich gut um mich gekümmert.“
Nonas Gesicht strahlte: „Dann bist du wieder ganz gesund? Vielleicht kannst du ja schon heute wieder hier schlafen, ich habe dich vermisst. Es ist furchtbar einsam, so ganz allein am Abend.“
Verlegen trat ich von einem Fuß auf den anderen. Wie würde ich ihr das jetzt beibringen können?
„Ähm... Nona...“, begann ich langsam und konnte ihr dabei nicht in die Augen sehen. „Ich werde nicht mehr zurückkommen. Es wurde beschlossen, dass es besser wäre, wenn ich in Ravennas Gemächern wohnen bleibe. Bis auf weiteres...“
Diese kleine Einschränkung konnte ich mir einfach nicht verkneifen. Sie schenkte Nona etwas Hoffnung und mir ein wenig Seelenfrieden, obwohl ich nicht davon ausging, dass ich jemals wieder zurückkommen würde. Trotzdem packte mich mein schlechtes Gewissen bei dieser kleinen Unwahrheit. Ich fühlte mich feige, weil ich die Verantwortung für diese Entscheidung anderen zuschrieb. Es war zwar ursprünglich nicht meine eigene Idee gewesen, aber ich musste zugeben, dass es mittlerweile voll und ganz meinen Wünschen entsprach bei Ravenna zu wohnen. Nona sah mich nur verständnislos an und wenn ich genau hinsah, dann konnte ich die Verwundbarkeit in ihrem Gesicht erkennen.
„Ich verstehe nicht... wer stört sich denn daran, dass du bei mir wohnst?“
Nonas Stimme war ganz
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