Des Kaisers Gespielin
heute morgen ist sie mir auf dem Gang begegnet, als ich Dalia verließ. Was tut sie dort? Findest du das nicht merkwürdig?“
Ravenna schien meine Bedenken nicht ernst zu nehmen.
„Das liegt doch in der Natur der Zufälle... dass sie willkürlich sind. Es gibt keinen Grund, dich vor Hella zu fürchten. Was soll sie schon tun? Dich mitten im belebten Frauenflügel zu Boden werfen und dir dein hübsches Gesicht zerkratzen?“
Ich runzelte verärgert meine Brauen.
„Sind dir noch nie ihre giftigen Blicke aufgefallen? Nicht nur zu mir... auch dich sieht sie an, als würde sie dir am liebsten deinen Hals umdrehen. Und den jungen Prinzen hat sie auch schon damit angesteckt. Sage nicht, du hast nicht bemerkt, wie er dich gestern bei Tisch angefunkelt hat? Ich sage dir... da geht etwas vor sich, das uns schlimm bekommen wird.“
Ravenna merkte, wie ernst es mir war und zog mich in ihre Arme. Tröstend strich sie mir über den Kopf.
„Keine Angst, kleine Lila. Dir wird schon nichts geschehen. Dafür werde ich sorgen – immer! Hella mochte mich noch nie und dich als meine Freundin mag sie eben auch nicht. Na und? Soll sie sich doch vor dem Prinzchen großtun, wie furchtbar wir beide sind. Das ändert nichts.“
Ich nickte. Ravenna hatte ja recht. Sie und ich waren die Favoritinnen des einen und einzigen Herrschers. Was sollte uns schon passieren, nur weil sein Sohn und dessen Geliebte einen Groll gegen uns hegten?
Dieser Groll allerdings schien von Tag zu Tag zu wachsen. Bald waren der unterdrückte Missmut und die verachtungsvollen Blicke des jungen Kaisers für jeden so offensichtlich, dass sich allenthalben gefragt wurde, wann denn Seine Hoheit gedachte, etwas zu unternehmen. Nur der Kaiser selbst schien für den Zorn seines Sohnes blind zu sein.
Ravenna und ich brachten es nicht übers Herz, ihm von dem wachsenden Funken des Hasses im Herzen seines Thronfolgers zu berichten. Und so blieb uns nichts, als still und unauffällig jeglichen Konfrontationen aus dem Weg zu gehen.
Der Palast hatte ein wenig seiner Freunde und Unbeschwertheit eingebüßt, seit der Prinz unter uns weilte. Mir kam es vor, als ginge ein jeder ein wenig gebückt und ein wirkliches und herzliches Lachen hatten wir schon lange nicht mehr auf den Gängen gehört. Und auch unter den Mädchen war eine gewisse Unruhe und Zerrissenheit erkennbar, als würden sie nur darauf warten, dass endlich etwas geschah. Was genau das sein sollte, wussten sie bestimmt selbst nicht recht. Aber dass etwas kommen würde, darüber waren sie sich einig.
Ich glaubte, es war die Unsicherheit über die Anwesenheit eines zweiten edlen Mannes, die uns so in Aufruhr versetzt hatte. Immerhin würde dieser Junge, den Hella da so gut im Griff hatte, eines nahen oder fernen Tages auch unser aller Herrscher sein. Und was das für sie bedeuten konnte, im Guten wie im Schlechten, das musste ein jedes Mädchen erst für sich ausmachen. Was würde aus ihnen werden, wenn der Kaiser eines Tages nicht mehr war? Keine hier, außer vielleicht Hella, konnte sich anmaßen zu glauben, sie kannte den Prinzen. Niemand hier wusste, was er für ein Mensch war, wie er seine Diener und Konkubinen behandeln würde. Und dass er den Herrscher so offensichtlich zu verachten schien, war nicht gerade dazu angetan, unser Gemüt zu beruhigen. Es war, als lebten wir in einem Meer aus heimlichen Blicken und verstohlenem Flüstern.
Auch bei Ravenna bemerkte ich eine Veränderung. Still und in sich gekehrt fand ich sie oft vor, was bei ihrem sonst so offenen und gebieterischen Wesen merkwürdig erschien. Unwillkürlich fragte ich mich, ob ihr Geist ebenfalls beim Prinzen und ihrer Zukunft weilte. Doch wann immer ich sie danach fragte, schüttelte sie nur den Kopf und behauptete, es wäre nichts. Zu mir war sie nach wie vor aufmerksam und liebevoll und so ließ ich meine Befürchtungen ihretwegen ziehen und beschloss, mich einfach nur an ihrer Gesellschaft zu erfreuen. Früher oder später würde sie sich mir anvertrauen.
Es würde sich alles richten, dachte ich hoffnungsvoll. Gebt den Mädchen Zeit, sich an den neuen Prinzen zu gewöhnen und schon bald würde dieses Haus wieder mit Lachen und Fröhlichkeit gefüllt sein. Und tatsächlich meinte ich schon bald eine Verbesserung im Frauenflügel zu erkennen, nur meine geliebte Ravenna wurde stiller und stiller, dass mir das Herz zerspringen wollte.
„Fühlst du dich nicht gut?“, fragte ich unsicher, als sie eines Nachts blass und mit schwerem
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