Des Kaisers Gespielin
verschwenderischen Üppigkeit zum Verweilen einlud, und als letztes den Speisesaal, wo das Abendmahl bereits gedeckt war.
Es setzten sich nur wenige Mädchen mit uns zum Speisen nieder und Nona erklärte, dass die übrigen mit dem Kaiser zusammen den Abend verbringen würden.
Alle?, dachte ich empört, aber Nona musste meine Gedanken gelesen haben.
„Du musst wirklich glauben, wir leben in einem Moloch.“, lachte sie mich aus und erklärte, dass der Kaiser im allgemeinen jeden Abend im privaten kaiserlichen Speisesaal mit einer größeren Gruppe der Frauen zu speisen und sich zu unterhalten pflegte. Eine davon begleitete ihn dann auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin für die Nacht. Ich nickte erleichtert, in meinem Kopf waren schon Bilder von riesigen nackten Menschenhaufen herum geschwirrt, die sich auf fragwürdige Weise miteinander vergnügten. Die Wahrheit schockierte mich da weit weniger, im Grunde hatte ich etwas derartiges erwartet.
„Und warum speist du nicht beim Kaiser?“, erkundigte ich mich neugierig.
Nona sah mich mit ihren großen runden Augen an, als wäre dies die absurdeste Frage der Welt.
„Aber Lila!“, erklärte sie vorwurfsvoll, „Ich bin doch viel zu jung.“ Nun war es an mir, mich für meine Gedanken zu schämen. „Und außerdem...“, sie blickte schüchtern zu Boden, „...habe ich Sonderrechte, weißt du? Ich darf mich jeglicher männlicher Gesellschaft verweigern, wenn ich es wünsche. Auch der seinen...“
Nonas sehnsuchtsvoller Blick ließ mich aber erahnen, dass sie auf dieses Sonderrecht gerne verzichten konnte. Sie war verliebt, stellte ich erstaunt fest und das verwirrte mich mehr, als alles andere. Hatte ich mir den Herrscher bisher nicht als gestrengen alten Herren vorgestellt, der sich um nichts scherte als seinem eigenen Wohlbefinden? Vielleicht würde ich meine Vorstellung überdenken müssen. Es schien einfach undenkbar, dass dieses reine Mädchen einen grausamen und egoistischen Mann lieben könnte.
Ich nickte betroffen, aber verstand gar nichts. Ich hatte eigentlich gedacht, jede Frau hier wäre für den Kaiser frei zugänglich, aber offensichtlich gab es vieles, was ich noch nicht verstand. So neugierig ich auch war, meine angeborene Schüchternheit verbat mir sie zu fragen. Nona sprach nicht weiter darüber und ich stocherte nur gedankenverloren auf meinem Teller umher. Nach dem Essen war Nona so schnell verschwunden, dass ich unsicher wurde, ob ich sie vielleicht unabsichtlich verletzt haben könnte. Aber es gab nichts, was ich tun konnte und so begab ich mich auf mein, nein unser Zimmer, wo ich mich voll bekleidet aufs Bett legte und aus dem Fenster heraus die Sterne beobachtete, die unaufhaltsam ihre Bahnen zogen, wie sie es schon seit Anbeginn der Zeit getan hatten. Es war tröstlich auf etwas zu blicken, das sich nie verändern würde.
Stunden lag ich so und starrte und in meinem Kopf kehrte eine Ruhe ein, die ich so seit Wochen nicht mehr verspürt hatte. Ich war angekommen, Körper und Geist, und meine Sorgen und Ängste hatten sich auf ein Kleinstes reduziert. Hätte es nicht viel, viel schlimmer kommen können?
Ich strich mir die Haare aus dem Gesicht und seufzte. Trotz der späten Stunde war Nona noch nicht zurückgekehrt. Ein bitteres Gefühl von Einsamkeit überwältigte mich jäh. An jedem anderen Tag hätte ich zu dieser Stunde an Lines Bett gesessen und ihr leise ein Schlaflied gesungen. Vielleicht war es doch gar nicht so schlecht, eine Zimmernachbarin zu haben. Ein wenig freundliche Gesellschaft an einem Ort, an dem ich mich so fremd fühlte, wäre jetzt äußerst willkommen gewesen. Während ich so meinen düsteren Gedanken nachhing, hörte ich sanfte Schritte auf dem Gang und einen kurzen Moment später trat Nona leise schleichend durch die Tür.
Die Haare hingen ihr feucht über die Schultern als sie sich mir zuwandte: „Du bist noch wach?“
Ich nickte stumm.
Sie lächelte mich zaghaft an.
„Entschuldige, dass ich mich vorhin nicht verabschiedet habe. Es ist dein erster Abend hier, da sollte niemand alleine bleiben. Es ist nur so... Ich hatte mich mit Estella zu einer Massage verabredet und danach noch ein Bad genommen. Es ist tagsüber immer so voll, weiß du, und da wollte ich die Zeit nutzen, wenn die anderen beim Kaiser sind. Ich hoffe, du bist mir nicht böse. Aber das bist du nicht, oder? Ich hatte gar nicht daran gedacht, dass du ganz allein bist...“
Das gute an Nona war, dass sie nicht erwartete, eine Antwort zu
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