Des Kaisers Gespielin
mit anderen Personen zu dinieren als denen, die wir immer sehen?“
Mein Geist war blank. Ich hatte nicht einmal den Hauch einer Ahnung, von was Nona gerade sprach. Mein leerer Blick schien Bände zu sprechen.
„Siehst du? Du hast mir gar nicht richtig zugehört, nicht wahr? Glaube nicht, ich würde es nicht merken, wenn du mit den Gedanken woanders bist.“, nörgelte sie.
Ich zuckte entschuldigend mit meinen Schultern. Sie tat mir leid dafür, dass sie eine solch schlechte Zuhörerin als Freundin hatte. Aber ich wünschte wirklich, sie würde nicht immer die gleichen ellenlangen und langweiligen Dinge erzählen.
Mit genervter Stimme wiederholte sie nun, was sie wahrscheinlich vor wenigen Minuten schon einmal erzählt hatte: „In wenigen Tagen – bei Vollmond - wird es ein Fest geben. Der Kaiser empfängt wichtige Botschafter – von irgendwo aus dem Norden, glaube ich. Oder war es... ach was, es soll mir doch gleich sein, wo sie herkommen, solange sie nur kommen. Und wir alle sollen dabei sein und uns von unserer besten Seite zeigen. Ach, ich bin so aufgeregt! Es wird eine formale Veranstaltung sein, du musst also auch deine formalen Kleider tragen. Einige Mädchen sagen, dass es vielleicht Krieg geben wird. Ich glaube den Botschaftern soll die Stärke und der Glanz des kaiserlichen Hauses vorgeführt werden und was könnte schöner und glänzender sein, als hundert prächtige Konkubinen? Wer könnte schon Krieg führen gegen einen Herrscher, den so viele schöne Frauen lieben?“
Nonas Stimme vibrierte vor Aufregung. Ihre Argumentation war wieder einmal völlig aus der Luft gegriffen, aber in ihrer kindlichen Unschuld durchaus nachvollziehbar.
Ich musste kurz nachrechnen. In fünf Tagen würde Vollmond sein. Das war zu früh, dachte ich angstvoll, ich würde bis dahin noch nicht bereit sein, mich unter Menschen zu begeben. Das letzte, was ich jetzt wünschte, war eine offizielle Veranstaltung, auf der ich stundenlang lächeln musste. Und da war noch Ravenna! Ich würde ihr unmöglich aus dem Weg gehen können.
„Muss ich denn dabei sein?“, fragte ich flehend. „Ich glaube ich bin zu schwach.“
Zur Bekräftigung hustete ich kläglich in mein Kissen. Nonas Augen wurden rund vor Verwunderung.
„Aber natürlich musst du dabei sein. Jedes einzelne Mädchen ist verpflichtet zu kommen. So wie auch jeder Soldat, jeder Beamte, jeder Würdenträger und jeder andere Bewohner des Palastes von Rang. Der Kaiser hat es so angeordnet.“
Nana machte deutlich, dass sie es für undenkbar hielt, sich den Wünschen ihres Herrschers zu widersetzen.
Mein Herz begann zu klopfen. Ravenna würde also auch da sein, dachte ich nun mit Gewissheit und ein schwerer Stein legte sich auf meine Brust. Dass ich sie so schnell wiedersehen würde, lockte und schreckte mich zugleich. Zum Glück bemerkte Nona mein Minenspiel nicht, sie war bereits aufgestanden und kramte nach ihrer Abendgarderobe. Meine, versprach sie mir, würde sie rechtzeitig bei der Schneiderin abholen. Und so lehnte ich mich zurück und erwartete mit Spannung und Schrecken den nahen Tag, an dem ich mein Refugium verlassen musste.
Der fragliche Tag war dann auch wie erwartet alles andere als ruhig. Hektisch rannte Nona wiederholt durchs Zimmer, konnte sich für keine Frisur entscheiden und verfluchte in mir ganz ungewohnter Härte diverse andere Mädchen, weil sie ihr bei Estella nicht genügend Zeit für eine komplette Behandlung gelassen hatten. Mich überredete sie dazu, wenn schon keine umfassende Behandlung, dann doch wenigstens ein Bad zu nehmen. Ihr missbilligender Blick sagte mir, dass ich nicht wie eine Dame roch.
Röte schoss mir ins Gesicht, als ich Estellas Räume betrat. Die Erinnerung an Ravenna und mich vor wenigen Tagen in ebendiesen Gemächern lauerte nur darauf, mich unvorbereitet zu treffen. Aber bei Tage betrachtet und inmitten von mehreren Dutzend nackter und kichernder Mädchen wirkte die Erinnerung blass, als wären die Ereignisse schon viele Jahre alt. Fast konnte ich dankbar sein für den überfüllten Saal, in dem sich die Stimmen unzähliger Mädchen zu einem dröhnenden Summen verstärkten. An Momente der Ruhe und der Reue waren bei all dem Gedränge und Gekeife nicht zu denken.
Nach einem kurzen und heißen Bad wartete in meinem Zimmer schon die Abendgarderobe. Eines musste man Nona lassen, sie vergeudete keine Zeit. Bei dem formalen Gewand handelte es sich um ein dickes steifes und hochgeschlossenes Kleid, das gerade fallend und
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