Des Koenigs Konterbande
Handwaffen wirksam werden konnte, aber eine Kollision gerade noch vermieden wurde.
Irgendwer rief: »Die Schatzkiste steht im Laderaum, Sir!«
Aber niemand reagierte. Der Schatz schien jetzt keine Rolle mehr zu spielen.
Allday packte sein Entermesser fester. Er hatte wieder die seidenglatte Stimme aus der Kutsche im Ohr und wußte, wenn Tanner auch nur einen Finger gegen Bolitho hob, würde er ihn niederhacken.
Bolitho stand nun vor Tanner. »Das nächste Mal ist jetzt,
Jack –
so nennt man Sie doch?«
»Sie würden einen Wehrlosen töten, Kapitän? Ihr Sinn für Anstand…«
»Ist mit dem jungen Kempthorne gestorben.« Schon hatte er den Degen gezogen, schneller als ihm selbst bewußt wurde. Tanner schnappte nach Luft, als würde die Degenspitze bereits seine Brust durchbohren. Doch als Bolitho zögerte, faßte er sich sofort wieder und höhnte: »Also doch – genau wie Ihr Bruder!«
Bolitho machte einen Schritt zurück. »Sie haben mich nicht enttäuscht, Sir James.« Er sah die Arroganz in Tanners Gesicht neuer Furcht weichen. »Sie beleidigen meine Familie – und würden an Land wahrscheinlich damit davonkommen.
« Plötzlich hatte er das Ganze satt. »Aber hier nicht!«
Blitzschnell zuckte sein Degen vor, und als er ihn wieder senkte, troff Blut von Tanners Gesicht; er hatte ihm die Wange fast bis zum Knochen zerschnitten.
Leise sagte Bolitho: »Verteidige dich, Schurke. Oder stirb!«
Mit schmerzverzerrtem Gesicht zog Tanner seinen Degen.
Sie umkreisten einander, während die Umstehenden zurückwichen.
Wakefuls
Leute hielten die Schmuggler mit einer Drehbasse in Schach.
Allday ließ Bolitho nicht aus den Augen; dessen mörderische Wut hatte selbst ihn überrascht.
Blanker Stahl schlug klirrend zusammen, die Waffen kreuzten sich und zuckten fintierend wieder zurück. Bolithos Degen fuhr quer über Tanners Brust, zerschnitt ihm Hemd und Haut, so daß Blut über seinen Gürtel tropfte.
»Um Christi willen!«
Tanner stierte ihn an wie ein verwundetes Tier. »Ich ergebe mich! Ich sage alles!«
»Verdammter Lügner!« Wieder zischte Bolithos Degenspitze vor, und an Tanners Hals öffnete sich ein breiter roter Schnitt.
Wie von fern hörte Bolitho Queelys Stimme übers Wasser schallen, verstärkt durch seinen Sprachtrichter.
»Segel in Nordwest, Sir!«
»Endlich!« Bolitho ließ die Waffe sinken.
Allday warnte: »Könnten auch Franzosen sein!«
Bolitho wischte sich die Stirn. Es ging ihm wie dem blinden Bettler. Er hatte nach Rache gedürstet, hatte Tanner um jeden Preis töten wollen – und jetzt war nur eine große Leere in ihm. Was auch geschah, der Schmuggler war verloren, auch ohne sein Zutun.
Müde sagte er: »Mit zwei englischen Schiffen werden sie sich nicht anlegen.«
Was nun folgte, prägte sich ihm abermals wie ein lebendes Bild ein: Brenniers altersblasse Augen, seine heisere Stimme, die ihm erstaunt zurief: »Aber, Capitaine, zwischen unseren beiden Ländern herrscht doch Krieg!«
Das war das fehlende Detail, das Rätsel, das ihm schon die ganze Zeit zu schaffen gemacht hatte. Als hätte ein Instinkt ihn warnen wollen. Kriegszustand zwischen England und Frankreich – und er hatte nichts davon gewußt!
Kein Wunder, daß Tanner um Zeit gepokert und so ruhig gewartet hatte. Er wußte, daß ein französisches Schiff hierher unterwegs war, wahrscheinlich dasselbe, das
Wakeful
noch vor kurzem von der holländischen Küste abgedrängt hatte.
Über all dem war ihm der triumphierende Haß in Tanners Gesicht entgangen. Seine lähmenden Schmerzen vergessend, machte der Schmugglerkapitän einen Ausfall. Bolitho duckte ab und suchte zu parieren, aber sein Fuß glitt unter ihm weg – ausgerutscht in Kempthornes Blut –, und er stürzte.
Von Sinnen vor Schmerz und Mordlust kreischte Tanner: »Stirb, du Hund!«
Bolitho rollte sich ab und trat dabei nach Tanners Beinen.
Das raubte seinem Gegner die Balance und ließ ihn gegen das Schanzkleid taumeln.
Sofort war Bolitho wieder auf den Füßen und hörte Allday brüllen: »Überlassen Sie ihn mir, Käptn!«
Fast sanft berührten sich die scharfen Klingen, und dann stieß Tanner abermals zu. Bolitho parierte mit seinem Handschutz, schlug den Degen beiseite und nutzte Tanners Schwung aus, um ihn von sich weg gegen das Schanzkleid zu wirbeln, wie es ihn Vater und Bruder gelehrt hatten.
Mit einer einzigen fließenden Bewegung schlug Bolitho Tanners Deckung beiseite und stach zu. Als er die Klinge wieder zurückzog, stand sein Gegner noch
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