Des Koenigs Konterbande
gezogen hatte. Er sah die herrschaftliche Residenz in Whitehall wieder vor sich, die vielen Diener, den selbstverständlichen Luxus des Londoner Alltags. Was sich hier abspielte, hatte weiß Gott nichts mehr mit Marcuards sorgfältig ausgearbeitetem Plan zu tun, aber er zweifelte keinen Augenblick daran, wen der Bannstrahl treffen würde, sollte Tanner mit der Royalistenkasse die Flucht gelingen.
Der Master ließ sich vernehmen. »Die Sonne wird rauskommen, noch ehe das Glas gedreht ist«, sagte er zu niemand im besonderen.
Queely funkelte ihn wütend an, kannte ihn aber zu gut, um ihn zu rügen.
Von oben kam Kempthornes Bestätigung, halb übertönt von Wind und Wellen: »Wirklich eine Brigg, Sir. Mit gleichem Kurs wie wir!«
Bolitho tastete unter dem Mantel nach seinem Degen; er fühlte sich eisig an.
»Schlage vor, daß Sie gefechtsklar machen, Mr. Queely.«
Queelys Habichtsgesicht wandte sich ihm zu. »Die Leute wissen, was zu tun ist, Sir. Wenn es falscher Alarm ist, würden sie nur den Respekt verlieren.«
»Nicht vor Ihnen. Sie können alles auf den verrückten Kapitän aus Falmouth schieben.«
Zur Überraschung der Umstehenden brachen beide in Gelächter aus.
Dann rief Queely: »Alle Mann an Deck! Klar Schiff zum Gefecht!«
Bolitho hatte sich immer noch nicht daran gewöhnt, daß ein Schiff so beiläufig und ohne Trommelschlag gefechtsklar machen konnte. Hier wurde der Befehl fast nur von Mund zu Mund an die Freiwache unter Deck weitergegeben. Aber es funktionierte.
»Geschütze ausrennen!«
Der Master stieß einen Seufzer aus. »Ich hab’s ja gewußt.«
Ein blasser Sonnenstrahl fand seinen Weg durch Dunst und Gischt, malte Farbe und Tiefe auf das Wasser und gab den Gesichtern der Männer Individualität.
Auf seinem schwindelerregend hohen Sitz schlang Leutnant Kempthorne einen Arm um das nächste Stag und spürte, wie es von ihm wegstrebte. Der schnittige Rumpf tief unten warf sich aufspritzend durch die Seen, während das Großsegel mit einem Mal einen Schatten aufs Wasser zeichnete, der rhythmisch nach ihm zu greifen schien. Fast wurde es ihm übel davon. Ihm war schleierhaft, wie der Ausguckposten auf der anderen Seite des Mastes so gelassen bleiben konnte.
Er schluckte die Galle herunter und versuchte wieder, das schwere Fernrohr zu stabilisieren. Nicht auszudenken, was Queely sagen würde, wenn er es fallen ließ. Nach beiden Seiten das Wasser abschüttelnd, hob sich der Bug aus der nächsten See, und Kempthorne hielt den Atem an. Die Brigg mußte zufällig im selben Augenblick einen Wellenkamm erklommen haben. Klar erkannte er Fock- und Toppsegel und das gewölbte Großsegel, als sie etwas voraus auf Parallelkurs zu ihnen lief.
In diesen wenigen Sekunden gewahrte er auch ihren Namen am Heck, die vergoldeten Buchstaben leuchteten klar und deutlich in der Sonne.
»Die
Revanche,
Sir!« rief er nach unten und schluchzte fast vor Erleichterung, als wäre es seine Schuld gewesen, wenn sich das fremde Schiff als harmlos entpuppt hätte.
Der Ausguckposten neben ihm, der ihn beobachtet hatte, schüttelte den Kopf. Kempthorne war bei der Mannschaft beliebt, weil er nicht wie manch anderer seine schlechte Laune an Untergebenen ausließ. Der Toppgast diente jetzt zwölf Jahre bei der Marine, trotzdem waren ihm Offiziere immer noch ein Rätsel. Dieser Kempthorne freute sich wie ein Schneekönig, daß er den Feind entdeckt hatte, und konnte doch binnen weniger Stunden sterben.
Andererseits winkte natürlich ein ansehnliches Prisengeld, falls alles gut ausging … Unten auf dem überspülten Deck starrte Queely ungläubig Bolitho an und rief: »Wir haben sie gefunden, Sir!« Seine Augen blitzten vor Erregung, sein Ärger über Kempthorne war vergessen.
Bolitho ließ das Glas sinken. Von Deck aus gesehen, wirkte die See immer noch leer.
»Und jetzt holen wir sie uns!«
Kempthorne meldete von oben: »Sie schüttelt noch ein Reff aus, Sir! Und setzt mehr Segel!«
Queely ging kurz zum Kompaßhaus. »Das hilft ihr auch nichts mehr«, sagte er zuversichtlich. »Wir haben sie am Schlafittchen.« Durch die hohlen Hände rief er: »Klar zum Setzen der Leesegel, wenn sich der Abstand vergrößert!«
Wieder richtete Bolitho sein Glas aus. Im zunehmenden Licht konnte er schon die oberen Segel der Brigg erkennen; sie waren zum Platzen prall gefüllt und stark nach Lee geneigt.
Selbst in der kurzen Zeit, seit Kempthorne ihren Namen genannt hatte, war die Distanz zwischen den beiden Schiffen deutlich
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