Des Reichtums fette Beute - Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert
besonders viel von ihrem Einkommen konsumieren. Das sind die Haushalte mit
niedrigem Einkommen, die in der Regel all das, was sie an Gehalt oder sonstigen Einnahmen wie beispielsweise Wohngeld beziehen,
für ihren Verbrauch an Gütern und Dienstleistungen verwenden müssen. Wer ein höheres Einkommen bezieht, kann hingegen auch
sparen und damit die höhere Mehrwertsteuerbelastung teilweise vermeiden. Gemildert wird diese ungleiche Belastung nur dadurch,
dass der Mehrwertsteuersatz auf Nahrungsmittel, die einen hohen Anteil am Verbrauch von Haushalten mit niedrigen Einkommen
ausmachen, reduziert ist und auch nicht angehoben wurde. Das fällt jedoch nicht so stark ins Gewicht.
Generell gesprochen vermindert eine höhere Mehrwertsteuer auf |29| breiter Basis die Kaufkraft der privaten Haushalte. Die Reaktion der Konsumenten ließ dann auch nicht lange auf sich warten.
Obwohl auch im Jahr 2007 die Wirtschaft in Deutschland insgesamt außerordentlich kräftig wuchs, ging der private Verbrauch
zurück. Das hatte es in einem Aufschwungjahr bisher noch nicht gegeben. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer hat dazu beigetragen,
dass in diesem jüngsten Aufschwung die Einkommen der Mehrheit der Bevölkerung unter Berücksichtigung der Preissteigerungen
nicht gestiegen sind. Auch das hatte es noch nicht gegeben. Der Begriff »Auf schwung « bekam eine neue Qualität: 9 Es war ein Wachstum ohne Einkommenszuwachs. Und das allein hätte schon Anlass zur Sorge geben müssen.
Zum ersten Mal seit dem Bestehen der Bundesrepublik Deutschland waren breite Teile der Bevölkerung von einer wirtschaftlichen
Aufwärtsentwicklung abgekoppelt. Das gesamtwirtschaftliche Wachstum kam nur noch wenigen zugute. Hier zeigte sich erneut die
seit Ende der 1990er Jahre vorherrschende Tendenz, Reichtum zu schonen. Ein genauerer Blick enthüllt, dass die höhere Mehrwertsteuer
aber nur einer von drei Gründen für die Einkommensbelastung war – man muss das genauer analysieren.
Weitere Ursachen waren die geringen Lohnzuwächse und die stark gestiegenen Importpreise für Rohstoffe und Energie. Der verstärkte
Zugriff des Staates auf die Einkommen durch die höhere Mehrwertsteuer muss dabei auch mit Blick auf die Staatsfinanzen gesehen
werden. Wenn die Steuern stärker steigen als das Bruttoinlandsprodukt, dann sichert sich der Staat einen höheren Anteil an
der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung. Angesichts der hohen Haushaltsdefizite in den Jahren zuvor und des Schuldenstands
gemessen am Bruttoinlandsprodukt, der die im Vertrag von Maastricht festgelegte Obergrenze von 60 Prozent des BIP bereits
seit Jahren überschritt, war es prinzipiell verständlich und auch richtig, dass die Steuern angehoben wurden. Indem man aber
dafür die Mehrwertsteuer wählte, traf es vor allem die niedrigen und mittleren Einkommen besonders stark – das war das eigentliche
Problem. Zwar wurde die Kaufkraft der Einkommen |30| durch die steuerlich bedingt höheren Preise insgesamt vermindert. Die wohlhabenderen Bevölkerungsschichten wurden aus bekannten
Gründen jedoch nur mäßig belastet. Die reicheren Haushalte beteiligten sich, verglichen mit den weniger gut gestellten, somit
in relativ geringerem Ausmaß an der Sanierung der Staatsfinanzen. Die Konsequenz? Eine zunehmende Ungleichheit.
Um diesen Effekt in seiner Größenordnung abzuschätzen, muss man den jüngsten Aufschwung im Vergleich zu früheren setzen. Daraus
ergibt sich, dass wegen der höheren Mehrwertsteuer 10 (zusam men mit Kürzungen von Transferzahlungen des Staates an die privaten Haushalte) die Preise um mehr als 1 Prozentpunkt höher waren.
Die realen verfügbaren Einkommen fielen dagegen im Vergleich zum vorherigen Aufschwung als Folge dieser Politik um knapp 3
Prozent niedriger aus. Eigentlich eine ganz einfach Rechnung – aber offenbar war dieser Zusammenhang den Wirtschaftspolitikern
nicht bekannt. Oder sie waren schlecht beraten.
In die gleiche Richtung wirkten auch die höheren Importpreise für Energie und Rohstoffe wie Öl, Gas oder Kupfer. Im Vergleich
zum vorigen Aufschwung zogen diese Preise spürbar stärker an. Das hängt zum einen mit den zumindest auf mittlere Sicht immer
knapper werdenden Vorräten an nicht erneuerbaren Rohstoffen zusammen. Zugleich nahm die Nachfrage nach genau diesen Rohstoffen
im Zuge des industriellen Aufstiegs von Ländern wie China und Indien merklich zu. Allein das sind hinreichende Gründe für
einen
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