Des Reichtums fette Beute - Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert
Deutschlands nicht von der Bereitschaft der Politik ab, den Arbeitsmarkt zu reformieren. 12 Die Zustände auf den Finanzmärkten waren im Grunde viel wichtiger, wurden aber lange missachtet – ein schwerwiegendes Versäumnis.
Zunächst aber muss man sich fragen, woran der Erfolg überhaupt gemessen wird (und wie er überhaupt gemessen werden kann).
Diese |33| Entscheidung ist alles andere als trivial. Im Kern geht es doch um folgende Fragen: Haben die Reformen die Arbeitslosigkeit
reduziert oder haben sie die Beschäftigung erhöht? Im Idealfall hängt beides zusammen, dann wird die Arbeitslosigkeit durch
mehr Beschäftigung abgebaut und Arbeitslose wechseln direkt aus der Arbeitslosigkeit in eine Beschäftigung.
Allerdings tritt dieser Idealfall nicht zwangsläufig ein. So kann die Arbeitslosigkeit auch deshalb abnehmen, weil bei gleichbleibender
Beschäftigung aus demografischen Gründen der Zustrom an Arbeitswilligen auf den Arbeitsmarkt abnimmt. Dies hätte dann gar
nichts mit den Reformen zu tun, wohl aber mit der demografischen Entwicklung. Oder: Die Reformen halten – infolge des erhöhten
Drucks, eine Beschäftigung anzunehmen – eigentlich Arbeitsunwillige davon ab, sich arbeitslos zu melden und die Grundsicherung
und andere Leistungen in Anspruch zu nehmen. Diese Arbeitslosen würden zwar keine Beschäftigung aufnehmen, stattdessen aber
in die sogenannte Stille Reserve des Arbeitsmarktes eingehen. Zu dieser Gruppierung zählen all jene, die sich entmutigt vom
Arbeitsmarkt zurückgezogen haben, obwohl sie noch im erwerbsfähigen Alter sind. Die Beschäftigung steigt in diesem Fall nicht.
Man kann dies als Erfolg der Arbeitsmarktreformen werten, weil staatliche Mittel effizienter ausgegeben werden. Der »Erfolg«
kann aber auch darin bestehen, dass Menschen gezielt
entmutigt
werden, weiter nach Arbeit zu suchen. Dies ist also ein durchaus ambivalentes Resultat, obwohl die Arbeitslosigkeit sinkt
oder zumindest nicht steigt.
Anders sieht es für die Beschäftigung aus. Jede Zunahme dieser Größe ist ein Erfolg. Aber ist dieser Erfolg wirklich immer
das Ergebnis der Reformen? Beschäftigung kann man außerdem auf unterschiedliche Weise messen. Die geläufigste Weise ist die
in Köpfen. Es wird ermittelt, wie viele Menschen als Ergebnis der Reformen zusätzlich eine Stelle finden, also beschäftigt
sind. Die Ökonomie hingegen verwendet als Maß für die Beschäftigung häufig die geleisteten Arbeitsstunden. Die Stundenzahl
gibt den Umfang der gesamten Arbeitsleistung wieder, unabhängig davon, von wie vielen Menschen |34| sie geleistet wird. Das bedeutet auch, dass die Zahl der Arbeitsstunden sehr wohl steigen kann, ohne dass die Zahl der Beschäftigten
es tut. Die Beschäftigten arbeiten dann einfach pro Kopf mehr; sie haben längere Arbeitszeiten. Der umgekehrte Fall gilt selbstverständlich
auch: Bei unveränderter Zahl der Beschäftigten wird weniger gearbeitet; ihre Arbeitszeit verkürzt sich. Die Arbeitsmarktreformen
sollten über den verstärkten Druck auf Arbeitslose und Löhne im Idealfall zu einer Zunahme sowohl der Zahl der Beschäftigten
als auch der Arbeitsstunden führen. Allerdings sollte der Druck auf Arbeitslose primär das Ergebnis haben, dass sie schneller
eine Beschäftigung finden, für wie viele zu leistende Arbeitsstunden auch immer. Der Erfolg müsste sich daher zunächst einmal
in einer höheren Zahl von Beschäftigten zeigen.
Neben der rein quantitativen Messung dürfen wir aber die Qualität der Beschäftigung nicht aus den Augen verlieren. Was aber
macht diese Qualität aus? Man muss überprüfen, ob die zusätzlichen Stellen unbefristet und sozialversicherungspflichtig sind
oder ob es sich um befristete Stellen möglicherweise im Rahmen von Zeitarbeit handelt. Im schlechtesten Fall unterliegen sie
nicht einmal der Sozialversicherungspflicht. In den Augen überzeugter Arbeitsmarktreformer wäre dies dennoch ein Erfolg –
das wäre eben der Preis, den man für eine erhöhte Beschäftigung zahlen müsse. Die schlechtere Qualität der Stellen – so die
Argumentation – mache die Beschäftigung für Unternehmen ja billiger. Nur so ließen sich diese neuen Stellen überhaupt schaffen.
Diese Interpretation ist umstritten. Die verschlechterte Qualität kann nämlich auch das Ergebnis von umgewandelten Stellen
sein, die zuvor von höherer Qualität waren. Die Unternehmen nutzen demnach den von den Arbeitsmarktreformen
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