Des Reichtums fette Beute - Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert
Aus Krisen lernen
Das Wort »Krise« stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet Meinung, Beurteilung oder Entscheidung. Und diese Begriffe sind
bis auf den heutigen Tag Elemente einer Krise. In einer Krise muss man sich eine Meinung über die Lage bilden, sie beurteilen
und schließlich Entscheidungen treffen. In der Medizin ist die Krise zusätzlich mit einem Wendepunkt im Befinden verbunden.
Entweder es geht dann immer weiter bergab oder der Patient gesundet.
Aus der Sicht des Ökonomen sind alle diese Elemente von Belang, und sie waren es vor allem während der Hochphase der Krise.
In dieser Krise wurde eine Illusion brutal zerstört. Die Ökonomen und mit ihnen viele Politiker hatten von der Überlegenheit
unregulierter Märkte geträumt und ihre Theorien darauf gebaut. Sie glaubten, dass die Deregulierung der Märkte der Schlüssel
zu mehr Wachstum und Beschäftigung sei. Die Wirklichkeit raubte ihnen diese Illusion. Damit steht die gesamte wirtschaftspolitische
Strategie des vergangenen Jahrzehnts in Deutschland zur Disposition.
Das Pendel schlägt nun zurück, wie schon nach der Großen Depression in den 1930er Jahren. Mit dem erschütterten Vertrauen
in die Selbstregulierungs- und Heilungskräfte der Märkte tritt staatliches Handeln wieder in den Vordergrund. Anders als während
der Depression geht es aber nicht mehr um eine Debatte »Staats- versus Marktwirtschaft«. Dieser Streit ist längst und zu Recht
zu Ungunsten des Staats entschieden. Wir müssen uns vielmehr fragen, ob und |253| inwieweit eine moderne Marktwirtschaft staatliche Stabilisierung und Regulierung braucht. Der Staat hat viele Jahren wirtschaftpolitischer
Demutshaltung gegenüber dem Markt hinter sich, in denen seine hauptsächlichen wirtschaftspolitischen Aktivitäten aus Steuersenkungen,
Um- und Abbau des Sozialsystems, Deregulierung und konjunkturpolitischer Enthaltsamkeit bestanden. Er muss nun eine neue,
aktivere Rolle finden. Der Markt ist in sich instabil und braucht ständig einen festen Rahmen, an dem sich die Akteure orientieren
können, Manchmal ist auch ein aktives Eingreifen der Wirtschaftspolitik nötig, um überschäumende Euphorien zu bremsen und
tiefschwarze Depressionen aufzuhellen. Es ist schon schlimm, aber: Diese Erkenntnis ist an einer ganzen Generation von Ökonomen
und Wirtschaftspolitikern vorbeigegangen. Einige wenige haben ihre Sichtweise im Laufe der Krise geändert. Doch viele, allzu
viele sind in die Denkweise der Vorkrisenzeit zurückgefallen. Auch an sie richtet sich dieses Buch.
Es stehen aber, jenseits dieser grundsätzlichen Überlegungen, noch andere Punkte auf der wirtschaftspolitischen Agenda. Viele
Aufräumarbeiten nach der Krise liegen noch vor uns und die Prävention gegen die nächste Krise ist eine zentrale Aufgabe. Die
Kosten der Krise sind bei Weitem noch nicht bezahlt. Es wird wohl ein harter Kampf darum ausbrechen, wer die Rechnung zu begleichen
hat. Die Bundesregierung aus CDU/CSU und FDP vertritt die Meinung, dass die Kosten gleichmäßig (ausgewogen) verteilt werden
sollen. Das ist nicht nur aus Gerechtigkeitsgründen problematisch, sondern auch ordnungspolitisch nicht zu rechtfertigen.
Es ist ungerecht, weil sich durch die Krise die Chancen auf Arbeit und Einkommen eben jener Menschen verschlechtert haben,
die schon vor der Krise arbeitslos waren oder die lediglich niedrige Einkommen erzielten. Das war nicht ihre Schuld. Und nun
werden sie dafür auch noch bestraft. Es ist auch ordnungspolitisch falsch, weil die Verursacher der Krise im Finanzsektor
für ihre Verfehlungen nicht mehr Verantwortung übernehmen müssen als der Rest der Bevölkerung. Das erzeugt völlig falsche
Anreize. Man kann als |254| Normalbürger durchaus den Eindruck bekommen, dass ein solches (unakzeptables) Verhalten letztlich von der Gesellschaft einfach
so akzeptiert werden muss. Aber dem ist nicht so.
Auch im Hinblick auf die notwendigen Präventionsmaßnahmen gibt es noch viel zu tun. Die Regulierung des Finanzsektors kommt
nur schrittweise voran und fällt häufig sehr sanft aus; man möchte die vermeintlichen Wachstumschancen des Finanzsektors ja
nicht gefährden! Noch immer treibt der mehr oder minder dezente Hinweis auf die Arbeitsplätze am jeweiligen Finanzplatz London,
New York oder Frankfurt Politikern den Angstschweiß auf die Stirn. Dabei geht es nicht darum, die Wachstumschancen des Finanzsektors
an sich zu begrenzen, wohl aber die
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