Des Reichtums fette Beute - Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert
Beschäftigungseffekte zu zeigen. Die Unternehmen konnten
die anziehende Nachfrage mühelos mit dem Bestand an Beschäftigten oder, wegen der Zunahme der Produktivität, sogar mit weniger
Arbeitskräften |37| befriedigen. Am Anfang des Aufschwungs standen also per saldo Beschäftigungsverluste, wie Abbildung 1 zeigt. Das ist zwar
zu Beginn eines Aufschwungs keinesfalls ungewöhnlich, fiel aber im jüngsten Fall doch stärker aus als erwartet. Diese anfänglichen
Beschäftigungsverluste müssen Bestandteil einer korrekten Bilanz sein. Sie werden häufig nicht berücksichtigt, weil der Beginn
des Aufschwungs auf den Zeitpunkt der ersten Beschäftigungszunahme datiert wird. Ein solches Vorgehen blendet aber die Anfangskosten
bewusst aus und gibt damit ein unvollständiges Bild.
Im weiteren Verlauf stieg die Beschäftigung bis zum Ende des Aufschwungs erwartungsgemäß an. Es lohnt auch ein Blick auf die
Länge des Aufschwungs. Der Sachverständigenrat kommt in seiner Analyse zu einer Aufschwunglänge von 7 Quartalen für den älteren
und 13 für den jüngeren. 14 Daher ist es wenig überraschend, dass im jüngsten Aufschwung die Beschäftigung sowohl in Arbeitsstunden gemessen als auch
der Zahl der Beschäftigten nach insgesamt stärker gestiegen ist als im früheren. Dies wird auch vom Sachverständigenrat als
Beleg für den Erfolg der Arbeitsmarktreformen angeführt. Aber lässt sich die längere Dauer des Aufschwungs wirklich als Erfolg
der Arbeitsmarktreformen interpretieren? Dies wäre so, wenn die Reformen den Aufschwung angetrieben hätten. Aufgrund der insgesamt
schwachen Einkommensentwicklung kann dies direkt über die Nachfrageseite nicht geschehen sein. Im Gegenteil, von dieser Seite
sind deutlich negative Impulse zu erwarten.
Allerdings hat der Lohndruck die Angebotsbedingungen verbessert, sodass insbesondere ein Teil der bemerkenswerten Exportdynamik
eine Folge der Arbeitsmarktreformen sein dürfte. Dies beeinflusst indirekt über eine erhöhte Beschäftigung auch die Binnennachfrage
positiv. Insgesamt ergibt dies jedoch wegen des größeren Anteils der Binnennachfrage an der wirtschaftlichen Entwicklung immer
einen eher negativen Saldo. Man kann also mit Fug und Recht behaupten, dass die Arbeitsmarktreformen keinen spürbaren Einfluss
auf die Dauer des Aufschwungs hatten – weder in die eine noch in die andere Richtung.
|38| Um das positive Urteil des Sachverständigenrates noch etwas genauer zu prüfen, bietet es sich an, den Vergleich zunächst auf
die Länge des kürzeren Aufschwungs zu begrenzen. Nur so lassen sich vergleichbare Resultate erhalten. Hier zeigt sich ein
interessantes Ergebnis. Folgt man Logeay/Zwiener 15 , die die Beschäftigungswirkungen bei gleich starkem Wachstum berechnet haben, so ist das Ergebnis für die Reformbefürworter
ernüchternd. Erst nach elf Quartalen holte der jüngere Aufschwung das Wachstum ein, das der ältere bereits nach sieben Quartalen
erreicht hatte. An diesem Vergleichspunkt hatte die Zahl der Beschäftigten im ersten Aufschwung stärker zugenommen als im
zweiten. Dagegen war die Zahl der Arbeitsstunden im zweiten Aufschwung stärker gestiegen.
Dieser Befund besagt nichts anderes, als dass im jüngsten Aufschwung vor allem die durchschnittliche Arbeitszeit der Beschäftigten
massiv ausgedehnt wurde. Die verlängerte Arbeitszeit ergibt sich aus zwei einander verstärkenden Tendenzen. Zum Einen wurden
im Aufschwung Ende der 1990er Jahre Neueinstellungen in Form von Mini- und Midi-Jobs getätigt. Die Subventionierung dieser
Jobs durch geringere Steuer- und Abgabenbelastung trat damals als wesentlicher Teil einer Arbeitsmarktreform in Kraft und
wurde von den Unternehmen weidlich genutzt. Das war zwischen 2006 und 2008 nicht mehr der Fall. Zum Zweiten waren in der Zwischenzeit
in vielen Unternehmen flexible Arbeitszeitvereinbarungen in Kraft getreten, die es erlaubten, bei unverändertem Gehalt innerhalb
vereinbarter Grenzen die Arbeitszeit der Beschäftigten flexibel an die Auftragslage der Unternehmen anzupassen. Folglich konnten
die Unternehmen im Zuge des Aufschwungs die Arbeitszeit ihrer Beschäftigten ohne größere Mehrkosten erhöhen. Dies war, insbesondere
am Beginn des Aufschwungs, für sie erheblich rentabler, als jemanden neu einzustellen. Es ist also letztlich nicht überraschend,
dass als Folge dieser internen Flexibilisierung vor allem die Zahl der Arbeitsstunden massiv ausgeweitet
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