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Des Sieges bittere Tränen

Des Sieges bittere Tränen

Titel: Des Sieges bittere Tränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Knopf.
    »Alles in Ordnung«, sagte er. »Wann soll ich abdrücken?«
    »Mitten im Sprung über das letzte Hindernis. Er soll bis zuletzt von der Angst zerfressen werden. Siehst du das letzte Hindernis?«
    »Zum Greifen nahe. Ich schieße, wenn er genau drüber ist.«
    »Und wenn du vorbeischießt?«
    »Das ist noch nie vorgekommen.«
    »Es darf heute nicht das erste Mal sein. Ende.«
    Mario Albertino zuckte mit den Schultern, steckte sich eine Zigarette an und wartete.
    Das Springen um den ›Pokal des hl. Stephanus‹ begann.
    Ein Riesending aus Silber, es stand unten auf einem mit rotem Samt bezogenen Podest. Und zehn Millionen Lire …
    »Noch nichts«, stammelte Fallersfeld. »Ich werde wahnsinnig. Wenn sie die Drohung wahrmachen, dann nur jetzt …«
    Um Hartung standen dichtgedrängt Polizisten. Militär, Ordner. Romanowski hielt Laska, pflichtschuldig hinkte sie ein wenig, was sich sofort bei den anderen Equipen herumsprach.
    Es wurde ein vertracktes Springen auf einem steinharten Boden. Zwar hatte man vor und hinter den Hindernissen den Boden aufgepflügt und mit Sägemehl durchgearbeitet, aber schon nach den ersten sechs Umläufen war die Erde wieder festgetreten. Die Hindernisse selbst waren hoch, die Doppel- und Dreifachkombinationen weit, und vor allem standen sie ziemlich eng beieinander.
    »Diesen Parcours hat ein Zwerg aus seiner Perspektive aufgebaut!« sagte Fallersfeld. »Die Pferde müssen ja hüpfen wie Gummibälle.«
    Die Resultate waren auch so. Ohne zwölf Fehler ging keiner vom Platz, allein der deutsche Reiter Hans Mucke erreichte acht Fehlerpunkte. Nur die Italiener, hier zu Hause, nahmen die Hindernisse mit einer Eleganz und Leichtigkeit, die begeisterte. Sie waren die einzigen, die keine Fehler ritten. Das Stadion tobte und schrie, das südländische Temperament schäumte über.
    Dann wurde Hartung aufgerufen. Als letzter, als Krönung des Turniers.
    »Horst Hartung auf Laska, Deutschland.«
    Mario Albertino legte sein Gewehr an. Neben ihm auf der Erde stand das kleine Funkgerät. »Bereit«, meldete er.
    »Gut, Mario.«
    Hartung ritt ein. Die übliche Vorstellung, Grüßen mit der Kappe, leichte Wendung auf der Hinterhand, Antraben zur Starterfahne, Senken der Fahne, es gab kein Zurück mehr. Die Uhr lief, der gnadenlose Zeitnehmer, und vor ihm lagen einundzwanzig Hindernisse.
    »Jetzt ist er sicher«, sagte Fallersfeld und zog Angela an sich. Sie schluchzte leise und starrte auf den einsamen Reiter und sein Pferd. Ungläubig sahen auch die anderen Reiter Laska nach, sie hinkte nicht mehr, sie trabte auf das erste Hindernis zu, geballte Kraft, leuchtende goldrote Schönheit.
    Mario Albertino, der Scharfschütze, auf dessen Kopf 500.000 Lire standen, verfolgte im Zielfernrohr den Ritt Hartungs. Groß, tödlich sicher lag sein Kopf im Fadenkreuz. Es konnte keinen Fehlschuß geben …
    Laska sprang wie eine abschnellende Stahlfeder. Es war, als mache sie sich über die Hindernisse lustig, als gäbe es keine Höhen und Weiten für sie. Sogar Mario Albertino schnalzte mit der Zunge, wie sie Dreierkombinationen nahm, als seien es Cavalettis. Neben ihm pfiff leise das Funkgerät.
    »Noch sechs Hindernisse, Mario.«
    »Ich habe ihn genau im Kreuz. Brauch nur den Finger durchzuziehen.«
    »Springt sie nicht herrlich? Das Hinken war eine Lüge. Aber er wird dafür bezahlen …«
    Hartung ritt halbherzig. Er spürte die Gefahr, irgendwo in diesem Rund mit den tobenden Menschen verbarg sie sich. Irgendwo saß der Tod und wartete auf den günstigsten Augenblick. Wann war dieser Augenblick? Wie kam er? Wirklich mit einem Gewehrschuß?
    Hartung spürte, wie ihm der kalte Schweiß über den ganzen Körper rann. Zum erstenmal in seinem Leben hatte er Todesangst, fühlte er sich hilflos einer Situation ausgeliefert, von der er wußte, daß sie voraussichtlich in einer Katastrophe enden würde.
    Ich bin kein Feigling, redete er sich zu. Reite weiter. Nein, höre nicht auf die innere Stimme, die dir rät, den Ritt abzubrechen. Weiter, weiter. Über die Mauer, über den Doppeloxer, über den Steilsprung. Noch drei Hindernisse, dann das Hinausreiten – genügend Zeit und Wegstrecke, hier das Leben zu verlieren …
    Warum schießt er denn nicht? Warum wartet er? Und wenn er Laska trifft? Er sieht ja jetzt, daß sie springen kann wie kein anderes Pferd auf der Erde. Mein Gott, wenn er statt auf mich wirklich auf Laska zielt …
    Schweiß. Schweiß über den Augen, im Nacken, auf dem Rücken, in den Händen.

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