Des Sieges bittere Tränen
wenn die Geldübergabe Schwierigkeiten mit sich bringt. Oh, Signore, dem Commendatore ist keiner gewachsen, seit zwanzig Jahren macht er mit uns, was er will.«
»Trotzdem bezahle ich!«
Portaldi nickte. »Ein Rat als Privatmann, Baron! Tun Sie das, so schnell Sie können. Sie ersparen damit auch mir viele Schwierigkeiten.«
Fallersfeld bezahlte nicht. Er konnte es nicht, weil wiederum weder Cabuzzi noch Lambordano zu erreichen waren. Daß der Commendatore kurz vor zehn bei Hartung anrief, wußte Fallersfeld nicht, und Hartung sagte es auch nicht.
Die Unterhaltung war kurz.
»Zahlen Sie?«
»Nein, Sie Schuft! Ein wehrloses Mädchen kahlzuscheren! Wagen Sie sich bloß nicht mehr in meine Nähe!«
»Ihnen ist nicht zu helfen! Um 16 Uhr springen Sie. Wir haben uns überzeugt, Laska hinkt. Wir schießen Sie aus dem Sattel!«
»Das steht Ihnen frei.«
»Immer diese heldenhaften Deutschen!« Lambordano schnaufte. »Sterben Sie anständig.«
»Darauf können Sie sich verlassen.«
Das Gespräch brach ab. Hartung sah auf die Uhr. Genau 10 Uhr. Er zog sein Reitzeug an, rief in den Ställen an und dann bei Angela. Der Hotelfriseur hatte ihr eine wunderschöne hellblonde Perücke besorgt. Eine schicke Lockenfrisur.
»Die Gefahr ist vorbei«, sagte Hartung. »Ich gehe jetzt zum Platz. Versprich mir, im Hotel zu bleiben bis nach dem Turnier.«
»Nein. Ich komme mit dir.«
»Angi, das ist Wahnsinn.«
»Wenn die Gefahr vorbei ist …« Ihre Stimme klang fest und ruhig. »Mich belügst du nicht. Ich merke sofort, wenn du schwindelst. Du kannst gar nicht lügen. Die Gefahr fängt jetzt erst an.«
»Angi.«
»Es gibt nichts, was mich zurückhalten könnte, bei dir zu sein. Das weißt du, also rede nicht weiter.«
Hartung seufzte. Es war wirklich nutzlos, mit Angela zu streiten. Wenn eine Frau so liebt wie sie, gibt es keine getrennten Probleme mehr.
Sie trafen sich unten in der Halle und fuhren zusammen hinaus zum Stadion. Hunderte Fahnen flatterten an den hohen weißen Masten, der Parcours war aufgebaut, die Militärkapelle, die mit flotten Märschen und Paradieren das Turnier eröffnete und die Pausen ausfüllte, probte zum letztenmal. Um die Ställe und den Abreiteplatz hatte Portaldi einen dichten Polizeikordon gezogen.
»Wenn es passiert, dann hier«, sagte Hartung und drückte Angela an sich. »Im Stadion ist es unmöglich.«
Das Morgenabreiten. Lockerungsübungen, Probesprünge. Schrittkombinationen, die ganzen Gehorsamsübungen, die bei einem temperamentvollen Springpferd notwendig sind – Hartung absolvierte sie mit äußerlicher Sicherheit. Im Nacken aber hatte er ein eiskaltes Gefühl. Irgendwo lauerte der Tod …
Nichts geschah. Romanowski, Fallersfeld, Kommissar Portaldi und Angela waren wie ein Ring um Hartung. Beim Mittagessen im Stadion-Restaurant bildeten sie einen Wall um ihn. Auch die anderen deutschen Reiter saßen sprungbereit. Portaldi hatte Pistolen verteilt, gegen alle Vorschriften. Das bewies, wie ernst er die Drohung der ›Gesellschaft‹ nahm. Er nannte jetzt den amtlichen Namen – das Wort Mafia war tabu.
Vierzehn Uhr. Beginn des Turniers. Schwungvolle Reden, Musik, Jubel, Händeklatschen, die Militärkapelle, das A-Springen, das Italien gewann.
»Ich löse mich vor Angst auf«, flüsterte Fallersfeld, als Hartung mit Laska am langen Zügel zum Einreittor kam. Romanowski folgte ihm wie ein Revolvermann, er trug die Pistole offen im Gürtel und hatte die Hand darauf gelegt.
Zur gleichen Zeit schraubte auf dem obersten Stehplatz, hinter der riesigen Anzeigetafel, auf der die elektronischen Buchstaben summten, Mario Albertino ein Gewehr zusammen. Er tat es mit einer leidenschaftslosen Präzision. Kolben, Mittelteil mit Schloß, Lauf, Zielfernrohr. Er hatte das schon oft getan – in den Bergen, an der Küste, im Wasser, im Sumpf, im Wald, in den unmöglichsten Situationen. Mario Albertino war der gefürchtetste Scharfschütze der ›Familie‹ Lambordanos, und Familie heißt bei der sizilianischen Mafia soviel wie Abteilung.
Als das Gewehr zusammengesetzt war, hockte sich Albertino unter die Anzeigetafel. Hier war er allein, Bretter und Stützen schützten ihn vor den Blicken der anderen, aber er selbst hatte eine vorzügliche Sicht über den gesamten Parcours. Er hob das Gewehr, blickte durch das Zielfernrohr und hatte die Hindernisse groß und schußsicher im Visier.
Zufrieden setzte er das Gewehr ab, holte ein kleines Funkgerät aus der Tasche und drückte auf einen
Weitere Kostenlose Bücher