Des Sieges bittere Tränen
vom Kopf reißen.«
An diesem Abend sprach Hartung auch mit Luisa Gironi. Sie war verzweifelt, weil Piero Camerino seit dem Rennen verschwunden war, und wollte die Polizei einschalten.
Als Hartung sie verließ, lag sie auf dem Bett und weinte lautlos. Sie hatte die Wahrheit ertragen, aber nur, weil Hartung sie ihr sagte.
In der Halle kaufte er einen großen Strauß roter Rosen und ließ ihn auf Luisas Suite schicken. Ohne Worte. Sie verstand ihn auch so.
Auch Angela verstand es.
»Wenn man ihr nur helfen könnte«, sagte sie leise.
»Keiner kann ihr helfen. Sie hat Millionen, aber ihr Gesicht wird sie nie wiederbekommen.« Hartung faßte Angela unter. Im Speisesaal war zum Abendessen gedeckt. »Es gibt eben Dinge, wo selbst Geld nichts wert ist.«
Am nächsten Nachmittag war der Tag der Springreiter. Mehr als sonst waren Presse und Fernsehen vertreten. Laska, die außerplanmäßige Siegerin beim Goldenen Pokal von Baden-Baden, sprang jetzt um den Großen Preis von Baden-Baden. Wenn das keine Sensation ist.
Das Stadion war ausverkauft. Für alle, die keine Karten mehr bekommen hatten, übertrug das Fernsehen außerhalb des Parcours den großen Kampf. Dreißig Fernsehgeräte standen auf den Wiesen herum. Vor ihnen ballten sich Menschentrauben.
Dr. Rölle hatte alles getan, um Laska fit zu machen. Sie ging zwar herum, latschte über die Cavalettis, aber es war keine Kraft mehr in ihr. Hartung ritt ein paar Hindernisse an, sie kam 'rüber, aber nur um Zentimeter über die Stangen. Fallersfeld winkte ab.
»Gut! Reiten Sie, Hartung. Schon wegen der Presse und der Sensation. Es ist doch alles vorbei.«
Das schien es wirklich.
Während die anderen sprangen, lehnte Laska vor dem Einlaß einer Fahnenstange und schlief. Sie schlief wirklich, mit geschlossenen Augen, und reagierte auf keinen Zuruf. Romanowski stand daneben, biß in seine Mütze und war wie gelähmt vor Kummer.
»Det sieht wie'n Herzschlag aus«, stammelte er, als Hartung kam, um aufzusitzen. Noch zwei Reiter, dann mußte er auf den Parcours. »Herrchen, reiten Se det Luder nich. Sie stirbt uns uff'n Platz.«
Hartung stieg auf. Laska öffnete die Augen und hob den Kopf. Ihr Blick war klar wie immer. Romanowski schnaufte laut, er erlebte ein Wunder, das sein Pferdeverstand nicht mehr fassen konnte.
»Det is nich möglich«, stotterte er. »Ick jeh in Pension. So wat jibt et nich.«
Es gab es tatsächlich.
Nach zwei Stechen gegen Nelson Pessoa gewann Laska den Großen Preis von Baden-Baden. Mit hocherhobenem Haupt trabte sie aus dem Stadion. Aber draußen, auf dem Abreiteplatz, fiel sie einfach um. Und Hartung küßte sie auf die zitternden Nüstern.
Flucht durch die Wüste
Ich gebe Ihnen eine Million«, sagte Joe Heerekamp mit einer so ruhigen Stimme, als bestelle er eine Tasse Kaffee. »Eine Million in bar. Ich glaube, das ist ein Angebot, wie Sie es nie wieder erhalten.«
Horst Hartung musterte den Mann, der mit einer Million rechnete wie andere mit hundert Mark. Es war ein kleiner, dicklicher, gemütlich wirkender Mann in einem khakifarbenen Anzug und mit einem breitkrempigen weißen Hut auf dem spärlich behaarten Kopf. Mit der rechten Hand stützte er sich auf einen Spazierstock, an der linken baumelte ein Fotoapparat, mit dem er gerade Laska fotografiert hatte. Angela Diepholt führte das Pferd hinüber zum Übungsgarten, wo einige mittelschwere Hindernisse aufgebaut waren. Romanowski stand bereits in der Mitte des Platzes und beschäftigte sich mit der Longe. Die Morgenarbeit begann. Lockerungsübungen und das Gewöhnen an das ungewohnte afrikanische Klima.
Seit fünf Tagen waren die deutschen Springreiter in Johannesburg, der Millionenstadt im Süden Afrikas, der Stadt, deren Reichtum von den Goldfunden im Witwatersrand und noch südlicher von den Diamantenfunden rund um Kimberley stammte. Eine moderne Stadt mit breiten Straßen und Hochhäusern, Parks und äußerst gepflegten Golfplätzen, eleganten Geschäften und Restaurants, aber auch elenden Slums der farbigen Minenarbeiter und staubigen Dörfern am Rande der Großstadt, wo die Bantus hausten.
Rund um den Rennplatz des Johannesburger Turf-Clubs, wo die große Springreiterkonkurrenz ausgetragen werden sollte – der ›Große Preis von Südafrika‹ –, waren die Lager der einzelnen Länder aufgeschlagen. Die Pferde waren in Zelten untergebracht, in denen sich die Hitze staute wie in einem Backofen. Romanowski, der wie immer neben Laska schlief, lief nur noch in der Badehose
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