Des Teufels Maskerade
leid, wollte ich ihm sagen. Bitte, verzeihen Sie mir. Ich konnte nicht.
Lišeks weißes Hemd war blutgetränkt. Und dunkles Blut quoll auch über seine Lippen, als er hervorstieß: »Aber sie hat es mir doch …« Dann brachen seine Augen.
Mit langsamen, beinahe feierlichen Bewegungen richtete Milena sich auf. Lišeks Blut klebte an ihren Händen und an ihrem Kleid. Ihr Gesicht blieb ausdruckslos, ebenso wie ihre Stimme, als sie sagte: »Bilden Sie sich nur nichts ein, Baron. Sie haben nur meinen Lišek ermordet. Nicht seine Zukunft.«
Ich blinzelte ihr durch einen Schleier von Blut und Tränen entgegen.
»Sie werde mir büßen, Baron«, fuhr sie sanft fort. »Vielleicht nicht heute, vielleicht nicht morgen. Aber eines Tages werden Sie teuer bezahlen.« Mit ihrer verstümmelten Hand wies sie
auf Landsberg. »Auch du, mein falscher Freund. Und Sie, Sir Lysander.« Sie trat zu Mirko, der zurückwich. »Und du, der du bist von meinem Blute.«
»Niemand ist hier von deinem Blute, Milena«, flüsterte Landsberg. »Nicht der hier, und auch kein anderer hübscher Jüngling mit traurigen Augen.« Er bleckte die Zähne. »Sie haben dein Kind getötet, Milena, an einem Sommertag. Lišek hat davon gewusst. Er wollte es dir nur ersparen.«
Milena schüttelte den Kopf. »Glaube, was du glauben willst«, entgegnete sie ruhig. »Glaubt alle, was ihr wollt. Büßen werdet ihr mir. Büßen. Das ist mein Schwur!«
Dann schwang sich eine kleine Krähe empor, stieg höher und höher, bis sie sich im ewigen Zwielicht des Gotteshauses verlor.
»Dejan?« Lysander war bei mir. »Wir müssen fort.«
Mechanisch stand ich auf, sah die Pistole auf dem Boden und schob sie zurück in die Innentasche meines Jacketts. So endet es, dachte ich dumpf. So endet es, in Blut und Beliebigkeit. Ein Fluch war gebrochen, ein Mensch war – frei. Und auf meinem Gewissen lastete ein weiterer Toter, der vielleicht nicht mehr, nicht weniger Schuld auf sich geladen hatte als jener Mann, dem ich erneut einen Fetzen meiner Seele geopfert hatte.
»Was machen wir mit ihm?«, meldete sich Mirko zu Wort.
Den Blick starr auf den Hauptaltar gerichtet, stand Landsberg vor uns. Lysander umrundete ihn, Skepsis ins pelzige Gesicht geschrieben. »Wir könnten …«, begann er; ich unterbrach ihn rasch.
»Nein. Wir lassen ihn gehen.« So, wie ich es geschworen hatte, beim Leben seines Sohns.
Wir entfernten uns durch den Südeingang der Kathedrale, durch das Goldene Tor. Und golden glänzte auch die Stadt unter uns, hier, am Ende eines goldenen Traums. St. Veit, der ewige Dom, der doch niemals seine Vollendung finden würde … einen Augenblick schöpfte ich Trost aus der Gewissheit, dass Lišek selbst sich nichts aus Symboliken gemacht hatte.
Der Platz war zum Glück menschenleer, als Mirko sich mit seinem Taschenmesser an Landsbergs Fesseln zu schaffen machte.
»In einem Punkt wenigstens hatte Milena Recht«, unser ehemaliger Gefangener hob mir die blutverkrustete Ruine seines Gesichts entgegen. »Sie haben nichts erreicht. Der Fuchs ist tot, es lebe der Fuchs.«
»Lišeks Bruderschaft wird seinem Verräter nicht folgen«, warf Lysander ärgerlich ein.
Von Landsberg rieb sich die wundgescheuerten Handgelenke. »Nein, seinem Verräter nicht. Aber wem werden sie glauben, wenn mein Wort gegen das einer Verrückten steht?« Er tat einen ersten, vorsichtigen Schritt. »Auf Wiedersehen, meine Herren«, sagte er leichthin.
Wir blickten ihm nach, wie er sich langsam entfernte, sein linkes Bein dabei ein wenig nachschleppte.
»Ja, dich werden wir bestimmt wiedersehen, das habe ich so im Gefühl«, murmelte Lysander, dann hob er seinen Kopf. »Also, meine Herren. Wen interessiert es außer mir noch, ob Dr. Rosenstein in Sicherheit ist?«
Dr. Rosenstein! Bevor ich gestehen konnte, dass ich ihn in dem Wirrwarr der letzten Stunden tatsächlich vergessen hatte, hörte ich eine Stimme rufen: »Baron! Sir Lysander!«
Eine rundliche Gestalt in unvorteilhaftem Blassblau kam auf uns zu gerannt, schwang ihren Sonnenschirm wie ein Soldat sein Bajonett. »Dem Himmel sei Dank!« Atemlos kam Lili
Trubic vor uns zum Stehen. »Papa hatte seine Zweifel, dass Sie noch hier sein würden, aber …«
Der Satz blieb unvollendet. Stattdessen unterzog Lili mich einer kritischen Betrachtung. »Was ist mit Ihrem Gesicht geschehen, Baron?«, fragte sie zuletzt.
Ich erging mich in einer beredten Handbewegung. Ich bedurfte keines Spiegels, um zu erahnen, dass Milenas
Weitere Kostenlose Bücher