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Des Teufels Maskerade

Des Teufels Maskerade

Titel: Des Teufels Maskerade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlederer Victoria
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Regierungsgebäuden, durch Torbögen und Höfe auf die Kirche zuhielten. Hellgrau dämmerte der Sommermorgen über der Stadt; ein hellgrauer Morgen im Herbst war es vor unendlich vielen Jahren auch gewesen, an dem Felix Trubic mich, den Fremden und Verlorenen, zum Dom von St. Veit führte. »Schau«, hatte er gesagt, »Dämonenfratzen und Ungeheuer.« All die steinernen Dämonen, welche die Kirchenfassade erklommen; sie symbolisierten das Unheil, das doch nicht in die Kathedrale eindringen konnte. Mehr als auf jeder anderen Kirche Europas, hatte Felix mit großer Ernsthaftigkeit versichert, denn Dämonen kämen gern nach Prag; es brauche nicht viel, dass sie sich hier heimisch fühlten. Damals hatte ich ihn verlacht: Wer zählte schon die Ungetüme, die sich auf Kirchenmauern tummelten?
     
     
    »Und der Name?«, stellte ich eine letzte Frage, ehe ich die wenigen Stufen zum Haupttor der Kirche erklomm. »Wie kam es, dass er Lišek wurde?«
    Landsberg zuckte die Schultern; gleich darauf verzog er das Gesicht zu einer schmerzlichen Grimasse. »Ja, wieso eigentlich«, sagte er leichthin. »Vielleicht mochte er Füchse?«
     
     
    Am Eingangstor des Doms blieb ich stehen und zog die kleine Pistole, die Landsberg gehört hatte, aus meinem Jackett. Dabei
war mir, als wandten all die steinernen Heiligen, die Helden und Märtyrer ihre kalten Statuenaugen mir zu und missbilligten eine Wahl, die ich noch nicht getroffen hatte. Aber wie sonst sollte ich den Fuchs bezwingen, wenn nicht in Kampf und Tod? »Wo?«, fragte ich Landsberg knapp.
    »Irgendwo. Überall«, gab er mir zur Antwort.
    »Du bleibst hier«, wies ich Mirko an, der Landsbergs Handgelenke fest umklammert hielt. »Lysander?«
    Es bedurfte keiner weiteren Worte. Schon war mein alter Gefährte in Unbill und Abenteuer an meine Seite gehoppelt. Zusammen traten wir in die Mitte des Hauptgangs. Ich hob den Kopf. Blasse Sonnenstrahlen fielen durch die Fenster aus buntem Glas, durchbrachen das Zwielicht aus dunklem Stein und den Flammen Tausender Kerzen.
    Wo sollten wir die Suche beginnen? Er konnte überall sein: unten, in der Gruft, wo König Ottokar begraben lag, oder oben, auf der Galerie, wo jedes geflüsterte Wort verräterisch laut durch die Kathedrale getragen wurde. Verbarg er sich hinter einem der prachtvollen Altäre, im Chorgestühl?
    »Lišek!«, rief ich. »Lišek von Zdar! Zeigen Sie sich!«
    Ich hielt den Atem an, aber nichts geschah. Nur das Echo meiner Stimme hallte durch die leere, große Kirche.
    Ich wandte dem Altar den Rücken zu; als ich in einem Seitenschiff einen Schatten zu sehen meinte, wirbelte ich mit gezückter Pistole herum. Doch dort war nichts mehr. Wohin war er verschwunden?
    Vorsichtig, nach allen Seiten um mich blickend, strebte ich den Mittelgang entlang. Ein fernes Krächzen erklang, und ich hielt inne. Doch nur Stille herrschte in dem Gotteshaus – steinerne, erhabene Stille. Selbst mein Atem dröhnte plötzlich unerträglich laut in meinen Ohren.
    »Dejan«, flüsterte Lysander eindringlich, stieß mit der Schnauze gegen mein Bein. »Dort.«

    Ich wandte den Blick.
    Das Holztor zu der engen Wendeltreppe, die hinaufführte auf jenen Turm, dessen Spitze noch immer auf Vollendung harrte, stand einen Spaltbreit offen. Natürlich: Die Vilja mochte Türme. Wenigstens das hätte mich unsere Begegnung bei der Ruprechtskirche in Wien lehren müssen .
    Schnellen Schritts durchquerte ich das Hauptschiff und schlängelte mich durch die Bankreihen; Lysanders Krallen kratzten auf den blanken Steinfliesen.
    »Lišek von Zdar!«, rief ich einmal mehr, als ich die Tür aufstieß. »Wir sind gekommen, um mit Ihnen zu reden!«
    Dann trat ich mit heftig klopfendem Herzen in die Düsternis des Turms.
    Die Steinstufen waren alt und unregelmäßig; immer wieder stolperte ich, konnte mich nur mit knapper Not an der rauen Wand abstützen. Lysanders Schnaufen hinter mir verriet mir, dass mein alter Gefährte ebenfalls größere Schwierigkeiten mit dem engen Stiegenaufgang hatte.
    Die Stufen endeten hoch in der Luft in einer halboffenen Plattform, umgeben von einer niedrigen Brüstung. Auf dieser saß eine Krähe – und neben ihr ein schlanker, kleiner Mann mit rötlich-blondem Haar.
    »Herr von Zdar?«, rief ich ihn wiederum bei dem Namen, den er sich so hoffnungsvoll gegeben hatte.
    »Lišek«, sagte Lysander mit großem Ernst, als handelte es sich um einen Ehrentitel.
    »Baron Sirco. Sir Lysander.« Er neigte den Kopf. Obschon in seinen

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