Des Teufels Maskerade
Mirko mich zu bewegen trachtete, »Freundschaft« anstelle des unschönen Wortes »Schwärmerei« zu schreiben. Dies ist der Kompromiss.)
Wirklich, Esther, ich kann Dich nur bitten, halte Augen und Ohren offen, ob es angemessene Arbeit für uns gibt im heimatlichen Prag. Der Umstand, dass wir unseren Lebensunterhalt momentan mit Aufträgen von enormer Lächerlichkeit bestreiten müssen, ist wahrlich entwürdigend. Ich hoffe von ganzem Herzen auf einen neuerlichen Zwist unter Rosenkreuzern, eine verschwundene Reliquie oder die Rückkehr des Vampirs auf dem Vyšehrad. (Dessen Ausbleiben mich offen gesagt schon seit geraumer Zeit verwundert. Ich war tatsächlich der Meinung, nichts und niemand auf der Welt sei sturer als dieser Nosferatu.)
Nun denn, ich hoffe auf baldige Nachricht von Dir. Küsse die kleine Alena von mir.
Ich verbleibe stets der Deine
Lysander
Liebe Esther,
wenn Lysander sich über Dejans Launenhaftigkeit auslässt, dann wohl nur, um von der seinen abzulenken. Preßburg ist eigentlich gar nicht so kolossal uninteressant. Ich habe Dejan und Lysander bereits beim Kartenspiel einen ganzen Beutel Kronen abgenommen. Tarockieren können sie alle beide nicht, meine Herren Mentoren. Heute Nachmittag sind wir bei der Comtesse Mahler zum Tee eingeladen. Als sie erfahren hat, dass der Herr Baron in Begleitung seines armen verwaisten Neffen reist – wie ich diese Rolle hasse –, war sie ganz hin und weg. Und Lysander kommt sowieso mit, als Haustier am schwarzen Samtband, auch wenn er dann wieder den Beleidigten spielt.
Mirko
PS: Auf den Vampir wäre ich schon auch neugierig.
Esther,
nur ein rasches Addendum: Unterstehe Dich, Lysander ein Wort zu glauben. Ich bin geneigt, ihm für seine despektierlichen Reden den Pelz abzuziehen und Dir einen hübschen Muff daraus schneidern zu lassen.
Dejan
AUS DEN AUFZEICHNUNGEN BARON SIRCOS, PRESSBURG, 4. JUNI 1909
Tee und Kammermusik in der weitläufigen Stadtwohnung der Comtesse Mahler. In aufpolierter Gardeuniform eines Hauptmanns des 46. k.u.k.-Infanterieregiments schritt ich in den in geschmacklosen Rosatönen gehaltenen Salon, gefolgt von Mirko, meinem Neffen für jenen Nachmittag – einem Bild jugendlichen Charmes und Begeisterungsfähigkeit, den hämisch grinsenden Lysander auf dem Arm.
Als geübter Blender und Schauspieler weiß man mit der Zeit genau, wann es von Nutzen sein kann, mit exzentrischer Entourage zu erscheinen, und tatsächlich: Die Comtesse und ihre Gäste – zwei pastellfarbene Freundinnen und ein schnauzbärtiger Jüngling, wohl ein Student oder Leutnant in Zivil – waren hingerissen von unserem farbenfrohen Auftritt. Offiziere, die mit Otter und Neffen mit tragischer Vergangenheit reisten, schienen gesellschaftlich hoch im Kurs zu stehen.
»Welche Freude, Baron!« Mit einer Lebhaftigkeit, die ihre sonst so phlegmatische Art Lügen strafte, begann die Comtesse die Vorstellungsrunde. Ich präsentierte meinerseits: »Mirko Savic, der Sohn meiner unglücklichen Schwester« sowie »Lysander Sutcliffe.«
»Bitte wer?«, machte der Student oder Leutnant, dessen Namen zu merken mir aufs Äußerste widerstrebte, mit beredter Handbewegung.
»Mein Otter«, erklärte ich mit größtmöglicher Selbstverständlichkeit,
was den drei Damen entzücktes Gekicher entlockte. Die Chancen standen gut, überlegte ich, während ich mich in taktischer Nähe zu der Dame des Hauses auf dem Sofa niederließ, dass wir auch nach unserem Abgang Hauptgesprächsthema bleiben würden.
Die Unterhaltung drehte sich bald um den Zusammenbruch eines bekannten Bankhauses, den der schnauzbärtige Jüngling schon seit langem vorausgesehen haben wollte, sowie die Pläne für die anstehende Sommerfrische der Comtesse Mahler.
»Es gibt nichts Tristeres als Preßburg im Juli!«, rief sie im Brustton der Überzeugung. »Seit der Graf und ich vor vier Jahren hierhergezogen sind, graut mir vor diesem Monat. Na, Sie werden es ja erleben, Baron. Sie bleiben doch über den Sommer hier?«
»Nun, wir dachten daran, in den nächsten Wochen nach Prag heimzukehren, doch Ihre Beteuerungen der sommerlichen Tristesse hier reizen mich beinahe, diese zu kosten.«
»Prag im Juli ist auch entsetzlich«, verlautbarte die Comtesse.
»Wo kommen’S denn eigentlich her, Baron? Außer vom Balkan, wollt’ ich sagen«, fragte der Comtesse füllige Freundin in Gelb spitz, während sie einen Teelöffel in ihren ausgesprochen unschönen, fleischigen Händen drehte.
»Ich bin
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