Des Todes Dunkler Bruder
jetzt glaubte sie, dass ich ihr bei der Aufklärung dieser Morde helfen, ihrer Karriere einen kräftigen Schub geben und sie aus ihrem Hollywoodnuttenaufzug in ein Schneiderkostüm katapultieren konnte. Und natürlich hatte sie Recht, ich konnte ihr helfen. Aber ich wollte nicht wirklich, weil ich es genoss, diesen anderen Mörder bei der Arbeit zu beobachten und eine Art ästhetische Verbindung mit ihm spürte, oder … Emotionale Verwicklung.
Schön. Da war es. Ich verstieß ganz eindeutig gegen den Code Harry.
Ich steuerte das Boot zurück zum Kanal. Es war mittlerweile vollkommen dunkel, aber ich orientierte mich an einem Funkturm, der ein paar Grade westlich von meinem heimatlichen Gewässer stand.
So sollte es sein. Harry hatte immer Recht gehabt, er hatte auch jetzt Recht. Lass dich nicht auf emotionale Verwicklungen ein, hatte Harry gesagt. Und das würde ich nicht.
Ich würde Deb helfen.
5
A m nächsten Morgen regnete es, und der Verkehr war irre, wie immer bei Regen in Miami. Einige Teilnehmer fuhren wegen der rutschigen Straßen sehr langsam. Das machte einige der anderen wahnsinnig, die hupten, aus den Fenstern brüllten, auf dem Seitenstreifen beschleunigten und die Fäuste schüttelten, während sie neben den Kriechern herschlingerten.
An der Lejeune-Zufahrt war ein großer Milchlaster auf den Seitenstreifen geprescht und hatte einen Bus voller Kinder einer katholischen Schule gerammt. Der Milchlaster überschlug sich. Und nun kauerten drei junge Mädchen in karierten Wollröcken mit benommener Miene in einer riesigen Milchlache. Der Verkehr stand fast eine Stunde still. Eines der Kinder wurde mit dem Hubschrauber ins Jackson Hospital geflogen. Die anderen hockten in ihren Uniformen in der Milch und sahen zu, wie die Erwachsenen einander anbrüllten.
Ich schlich bedächtig voran und hörte Radio. Anscheinend war die Polizei dem Tamiami-Killer hart auf den Fersen. Einzelheiten wurden nicht genannt, aber Captain Matthews gab eine reizende Vorstellung. Bei ihm klang es so, als würde er persönlich die Verhaftung vornehmen, sobald er seinen Kaffee ausgetrunken hatte.
Ich fuhr schließlich auf die Nebenstraßen ab und gab nur ein wenig mehr Gas. Ich hielt an einer Doughnut-Bude nicht weit vom Flughafen. Ich kaufte eine Apfeltasche und einen Berliner, aber die Apeltasche schaffte es nicht einmal bis ins Auto. Mein Stoffwechsel arbeitet sehr rasch. Das kommt vom guten Leben.
Als ich bei der Arbeit ankam, hatte der Regen aufgehört.
Während ich die Lobby betrat, die Stechuhr bediente und nach oben ging, kam die Sonne heraus, und vom Pflaster stieg Dampf auf.
Deb wartete schon auf mich.
Sie sah an diesem Morgen nicht glücklich aus. Natürlich sah sie sowieso nur noch selten glücklich aus. Immerhin ist sie ein Cop, und die meisten von ihnen beherrschen den Trick einfach nicht. Sie verbringen während ihrer Arbeit zu viel Zeit mit dem Versuch, nicht menschlich zu wirken. Dadurch werden ihre Mienen starr.
»Deb«, grüßte ich. Ich legte die knisternde weiße Gebäcktüte auf den Schreibtisch.
»Wo warst du gestern Abend?«, fragte sie. Ausgesprochen sauer, wie ich erwartet hatte. Bald würden diese Falten nicht mehr verschwinden und ein wunderbares Gesicht ruinieren: tiefblaue, vor Intelligenz funkelnde Augen, eine Stupsnase mit einem Hauch Sommersprossen, umrahmt von schwarzem Haar. Schöne Züge, die im Moment von sieben Pfund billigem Make-up verunstaltet wurden.
Ich schaute sie voller Zuneigung an. Sie kam offensichtlich von der Arbeit, heute in einem Spitzenbüstenhalter, rosa Satinshorts und goldenen Stilettos. »Mach dir darüber keine Gedanken«, sagte ich. »Wo warst du?«
Sie errötete. Sie hasste es, etwas anderes zu tragen als eine saubere, gebügelte Uniform. »Ich habe versucht, dich anzurufen«, sagte sie.
»Tut mir Leid«, sagte ich.
»Klar, sicher.«
Ich setzte mich auf meinen Stuhl und hielt den Mund.
Deb lässt es gern an mir aus. Dafür ist die Familie schließlich da. »Warum wolltest du so dringend mit mir sprechen?«
»Sie halten mich raus«, sagte sie. Sie öffnete die Doughnut-Tüte und spähte hinein.
»Was hast du erwartet?«, sagte ich. »Du weißt, wie LaGuerta zu dir steht.«
Sie zog den Berliner aus der Tüte und schlang ihn hinunter.
»Ich habe erwartet«, sagte sie mit vollem Mund, »dass man mich mitmachen lässt. Wie es der Captain angeordnet hat.«
»Du hast keinen hohen Dienstgrad«, sagte ich. »Und bist undiplomatisch.«
Sie zerknüllte die
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