Des Todes Liebste Beute
und stellte die Heizung ein. »Besser?«
»Schon okay. Ich bin früher bei kälterem Wetter zu Fuß zur Schule gegangen.«
»In Kansas, richtig?«
Kristen stieß ungeduldig den Atem aus. »Was hat Abe dir denn nicht erzählt?«
Aidan grinste zweideutig, und Kristen verdrehte die Augen. »Meine Güte«, murmelte sie und wusste, dass ihr Gesicht soeben roter als puterrot geworden war. Und wofür? Nur ein bisschen Petting, das allzu schnell vorbei gewesen war. Nun ja, und das Versprechen auf mehr, wann immer sie dazu bereit war. Sie war es, die die Regeln festlegen durfte. Das war eine schöne Vorstellung. Aufregend. Befreiend.
»Du solltest dich an die Witzelei gewöhnen«, sagte er. »Das liegt bei uns in der Familie.«
Kristen empfand plötzlich eine so starke Sehnsucht, dass es wehtat. Wie schön musste es sein, zu einer solchen Familie zu gehören. Sie war plötzlich neidisch auf Debra, die sich augenscheinlich so mühelos eingefügt hatte. »Erzähl mir was von Debra«, entfuhr es ihr, und Aidan blinzelte.
»Debra?«
»Ja, Debra, weißt du? Die Frau, die sich so anhört wie ich. Deine ehemalige Schwägerin.«
Plötzlich hatte er enorm viel damit zu tun, sich auf die Straße zu konzentrieren. »Kein Grund, bissig zu werden, Frau Anwältin. Willst du jetzt was essen oder nicht? Ich habe Hunger wie ein Wolf.«
Nun, das war jedenfalls mal ein eleganter Themenwechsel, dachte sie. Wie es schien, war Aidan nicht darauf erpicht, über Debra zu reden
. Aber vielleicht will er auch bloß nicht mit
mir
über Debra reden.
»Okay. Wir sind nicht weit von dem Lokal, in dem ich normalerweise esse.« Sie wies ihm die Richtung an und setzte sich dann zurück, um zu überlegen, worüber sie ansonsten sprechen konnten.
»Sie bedeutete Abe alles«, sagte Aidan abrupt. Kristen wandte sich auf ihrem Sitz zu ihm um und betrachtete sein Profil. Seine Kiefer waren zusammengepresst, und er packte das Lenkrad so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten. »Ich war sicher, dass er sterben würde, als sie angeschossen wurde. Ich weiß, dass er es wollte.«
Die seltsame Emotionslosigkeit von Aidans Stimme sagte mehr, als ein Zusammenbruch es getan hätte. »Tut mir Leid«, sagte sie. »Ich hätte nicht fragen sollen.«
»Nein, schon gut. Ich denke, du hast ein Recht darauf, es zu wissen.« Er zuckte die Achseln. »Ich war schon ein paar Jahre bei den Jungs, als es geschah. Ich dachte, ich hätte schon alles erlebt.« Er schüttelte den Kopf, und sie sah, wie er schluckte. »Aber mit anzusehen, wie sie all die Jahre lang leblos dalag …« Er räusperte sich. »Aber am schlimmsten war es, das Baby zu begraben.«
Wie vom Donner gerührt starrte Kristen ihn an. »Baby?«, brachte sie mühsam hervor.
Aidan warf ihr einen raschen Seitenblick zu. »Debra war im achten Monat schwanger, als sie niedergeschossen wurde. Das Baby hat es nicht überlebt. Ich dachte, das hättest du gewusst.«
Sie schüttelte den Kopf und starrte aus dem Fenster, ohne etwas zu sehen, als Aidan den Wagen parkte. »Nein. Von einem Kind hat Abe nichts gesagt.«
»Mach dir nichts draus. Er hat es seit der Beerdigung vor sechs Jahren niemandem gegenüber erwähnt. Nicht einmal bei uns zu Hause. Ich nehme an, das ist seine Art, damit fertig zu werden. Aber Abe liebt Kinder. Du musst nur mal zusehen, wie er mit Seans Ungeheuern umgeht. Er wünscht sich so sehr eine eigene Familie.«
Kristen schürzte die Lippen, damit er das Zittern nicht sah. Aidan glaubte, sie mache sich Sorgen, weil Abe nun vielleicht keine Kinder mehr wollte … was für eine bittere Ironie. Sein Kind wurde ihm genommen, während sie … Was für eine
grausige
Ironie. »War es ein Junge oder ein Mädchen?«, fragte sie, obwohl sie die Frage nicht hatte stellen wollen.
Aidan zögerte. »Ein Junge. Abe hat ihn Kyle genannt – nach Dad.«
»Der Arme«, murmelte Kristen. »Alles an einem Tag zu verlieren.«
Und was wird er von mir halten, wenn er über mich Bescheid weiß?
Eigentlich wollte sie es gar nicht wissen.
Aidan stellte den Motor ab, und es wurde still. »Aber falls es dir hilft«, sagte er schließlich, »ich habe ihn seit Jahren nicht mehr so glücklich erlebt wie in der letzten Woche. Du hast dafür gesorgt, dass seine Augen wieder leuchten.« Wieder räusperte er sich. »Und wir alle sind dafür dankbar.«
»Das war nett gesagt.« Sie zwang sich zu einem Lächeln und deutete dann auf Owens Diner. »Gehen wir essen.« Sie ging darauf zu, versuchte die Tür zu öffnen und
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