Des Todes Liebste Beute
depressiv wurde, dass ihm als einziger Ausweg der Selbstmord blieb. Er hätte ganz sicher nicht zugelassen, dass das Monster der Justiz ein drittes Mal ein Schnippchen schlagen würde.
Er hatte um Weisheit gebetet und die Heilige Schrift zu Rate gezogen.
Die Rache ist mein, sprach der Herr.
Vor Gott muss jeder für seine Taten büßen.
Er schluckte und spürte Leahs Blick aus dem Bilderrahmen. Gottes Gerechtigkeit. Er würde einfach nur dafür sorgen, dass Er auf Erden ein bisschen weniger Arbeit hatte.
Chicago,
Mittwoch, 18. Februar, 14.00 Uhr
K risten, Sie haben Besuch.« Owen Madden deutete durch die Scheibe hinaus auf die Straße. Draußen stand ein Mann im dicken Wintermantel und neigte fragend den Kopf.
Kristen Mayhew nickte ihm knapp zu, und er betrat das Restaurant, in dem sie Zuflucht vor der protestierenden Menge im Gerichtssaal und den drängenden Fragen der Presse gesucht hatte. Sie starrte in ihre Suppe, als sich ihr Chef, Executive Assistent State’s Attorney John Alden, neben ihr an der Theke niederließ. »Kaffee, bitte«, sagte er, und Owen brachte ihm das Gewünschte.
»Woher wussten Sie, dass ich hier bin?«, fragte sie ruhig.
»Lois hat mir gesagt, dass Sie zum Lunch praktisch immer hierher kommen.«
Und zum Frühstück und zum Abendessen auch, dachte Kristen. Wenn die Mahlzeit nicht aus der Mikrowelle kam, dann von Owen’s. Johns Sekretärin kannte ihre Gewohnheiten gut.
»Der Lokalsender hat sein laufendes Programm für das Urteil und die Reaktionen darauf unterbrochen«, sagte John. »Trotzdem, Kristen – Kompliment. Sie haben sich gut gegen die Meute behauptet. Sogar gegen diese Richardson.«
Kristen nagte verärgert an der Innenseite ihrer Wange, als sie daran dachte, wie die platinblonde Journalistin ihr das Mikrofon ins Gesicht geschoben hatte. Sie hätte ihr das Ding am liebsten in den … »Sie wollte wissen, ob diese Niederlage ›personelle Konsequenzen für die Staatsanwaltschaft‹ haben würde.«
»Kristen, Sie wissen, dass davon keine Rede sein kann. Sie sind gut. Sie haben die höchste Verurteilungsrate in unserer Dienststelle.« Er schauderte. »Verdammt, ist mir kalt. Kommen Sie, erzählen Sie, was da drin passiert ist.«
Kristen zog sich die Nadeln aus dem Knoten, der ihre Locken straff nach hinten zog. Die strenge Frisur gehörte zur offiziellen Person der ASA – Assistent State’s Attorney – Mayhew, bescherte Kristen aber rasende Kopfschmerzen. In den Haarnadeln steckte genug unterdrückte Energie, um downtown Chicago ein Jahr lang mit Strom zu versorgen. Ihr Haar fiel befreit auf ihre Schultern herab, und sie wusste, dass sie nun große Ähnlichkeit mit Little Orphan Annie hatte. Mit grünen statt leeren Kulleraugen. Und ohne Hund und Daddy Warbucks, der auf sie aufpasste. Kristen war allein.
Müde massierte sie sich die Schläfen. »Es kam zu keiner Einigung. Elf schuldig, einer unschuldig. Geschworener Nummer drei. Mit Bausch und Bogen gekauft vom
vermögenden Industriellen Jacob Conti.
« Sie sprach den letzten Satzteil in einem verächtlichen Singsang, um zu verdeutlichen, was sie von der Beschreibung der Presse von Angelo Contis Vater hielt. Dass der Mann das System korrumpiert hatte und die trauernde Familie auf diese Art um die Genugtuung der Gerechtigkeit gebracht hatte, stand leider außer Frage.
Johns Augen verdunkelten sich. »Sind Sie sicher?«
Sie dachte daran, wie der Mann auf dem Stuhl Nummer drei ihren Blick gemieden hatte, als die Geschworenen nach vier Tagen Beratung in den Saal zurückgekommen waren. Wie die anderen elf sich verächtlich von ihm abgewandt hatten. »Sicher bin ich sicher. Er ist jung, hat eine ebenso junge Familie und viele offene Rechnungen. Ein lohnendes Ziel für einen Mann wie Jacob Conti. Wir wussten, dass er alles tun würde, um seinen Sohn freizukriegen. Aber kann ich beweisen, dass der Geschworene Nummer drei Geld angenommen hat, um das Schwurgericht aufzumischen?« Sie schüttelte den Kopf. »Nein, kann ich nicht.«
John ballte die Fäuste auf der Theke. »Also haben wir im Grunde nichts in der Hand.«
Kristen zuckte die Achseln. Die Erschöpfung begann sich bemerkbar zu machen. Eine schlaflose Nacht zu viel vor dem Höhepunkt eines wichtigen Prozesses. Und sie wusste, dass sie auch heute keine süßen Träume haben würde. Sobald sie die Augen geschlossen hatte, würde sie garantiert den gequälten Aufschrei von Paula Garcias jungem Ehemann hören, der zusammengebrochen war, als die Geschworenen das
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