Des widerspanstigen Zaehmung
aus Sorge um ihre Gefühle. Wieder war sie angenehm überrascht. Immerhin kursierten in den Salons der gehobenen Gesellschaft seit Jahren Gerüchte, die sich um das unwirsche Auftreten seiner Familie drehten.
„Ich glaube, es wird nicht nötig sein, mich zu tragen", sagte sie, obwohl eine Frau unter anderen Umständen durchaus hätte versucht sein können, sein Angebot anzunehmen.
„Nicht?"
Mit Entsetzen erkannte sie, dass sie heftig errötete, als sie in seine blauen Augen sah und sich von einer sinnlichen Anziehung gefesselt fühlte, die ihm einfach im Blut zu liegen schien. Jane wäre von diesem männlichen Charme womöglich überwältigt gewesen, hätte sie es nicht so eilig gehabt, diese Situation endlich hinter sich zu bringen.
Als ob sie sich von ihm zur Kutsche tragen lassen würde! Einen besseren Skandal könnte sie wohl kaum auslösen! Allerdings war es für einen Mann mit so breiten Schultern ganz sicher kein Problem, sie o nein, wie konnte sie so etwas überhaupt nur denken? Dies hier war alles andere als der Ort, an dem sie vor einem attraktiven Fremden zusammenbrechen würde.
„Ich bin wirklich in der Lage, zur Kutsche zu gehen und mich der Menschenmenge zu stellen", erklärte sie. „Selbstverständlich." Er klang höflich und rücksichtsvoll. Lord Belshire warf dem Marquess einen nervösen Blick zu.
„Ich darf wohl annehmen, dass Sie nicht wissen, wo sich Nigel aufhält?"
Kühle Entschlossenheit zeichnete sich auf Graysons Gesicht ab. Seine Antwort traf Jane mitten ins Herz.
„Es ist meine Absicht herauszufinden, was heute geschehen ist, das können Sie mir glauben." Er sah Jane an, als wolle er den Schleier durchdringen, der ihr Gesicht bedeckte. „Ich weiß, es ist für Sie eine schwierige Zeit, aber sagen Sie mir bitte, ob Sie und Nigel womöglich einen Streit hatten."
Langsam schüttelte sie den Kopf. Sie und Nigel hatten sich als Freunde getrennt, im gegenseitigen Einvernehmen, dass sie nicht als Ehegatten füreinander geschaffen waren. „Nein, es gab keinen Streit."
Sedgecroft schürzte die Lippen, als vermute er, dass ihre Antwort nicht ganz ehrlich sein könnte. „Keine Meinungsverschiedenheiten, die Ihnen vielleicht entgangen sind? Keine Missverständnisse?"
Mit ihrer Antwort ließ Jane sich einen Augenblick Zeit. „Nigel und ich haben uns bestens verstanden." „Dann muss er tot sein", sagte Lady Belshire, die ihren Blick betrübt durch die Kapelle schweifen ließ. „Jane, es wäre bestimmt gut, Sedgecrofts freundliches Angebot anzunehmen."
Ihre Tochter sah sie erschrocken an. „Mama, ich werde mich nicht durch die Menge tragen lassen wie ein Spielzeug."
Lady Belshire fächerte sich Luft zu, da ihre Wangen vor Verlegenheit eine leichte Rötung aufwiesen. „Ich meinte sein Angebot, das die Kutsche betrifft, Jane. Meine Güte, es ist doch nicht nötig, dass das gewöhnliche Volk über uns herzieht."
„Mach dich lieber darauf gefasst, Athena", meinte Lord Belshire mit einem finsteren Lächeln auf den Lippen. „Die Geschichte wird mit all ihren unschönen Einzelheiten in den Abendausgaben der Gazetten zu finden sein. Wir sollten uns so ungerührt wie möglich geben. Sedgecroft?"
Der Marquess rührte sich nicht, als überlege er, wie es hatte geschehen können, dass er persönlich in dieses Familiendrama hineingezogen worden war.
„Einer meiner Brüder wird Ihre Tochter nach Hause eskortieren. Ich kümmere mich um dies hier", antwortete er. „Die Gäste können gern noch zum Hochzeitsfrühstück bleiben." Er straffte seine beeindruckenden Schultern, in seinen Augen loderte ein blaues Feuer, das Jane den Atem raubte. „Ich werde das ins Reine bringen", fügte er leise an. In seiner Stimme schwang die gesamte Arroganz seiner aristokratischen Herkunft mit.
Einen Moment lang hatte Jane beinahe laut aufgelacht. Da stand sie am Altar, an ihrer Seite ein berüchtigter Halunke, der in seinem ganzen Leben noch keine zwei Worte mit ihr gewechselt hatte, und ausgerechnet er wollte ein Unrecht wiedergutmachen, das ihr in Wahrheit nie angetan worden war.
Das Versprechen sollte wohl dazu dienen, sie zu beruhigen, und es kam von einem Mann, der vermutlich in seinem gan-2en Leben keine Zurückweisung erfahren hatte. Doch auf Jane hatte es keinesfalls die beabsichtige Wirkung: Anstatt sich getröstet zu fühlen, warnte ihre Stimme sie eindringlich, sich vor dem Mann in Acht zu nehmen.
Sie hatte ihre eigene Hochzeit scheitern lassen, weil sie glaubte, so in Sicherheit zu sein.
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