Désirée
Listen mit den wichtigen Namen. Der Hofkanzlerheißt Wetterstedt. Gustaf natürlich. Ich glaube, die meisten Schweden heißen Gustaf. Außerdem gibt es viele Löwenhjelms. Einer davon, ein Karl Axel Löwenhjelm, ist auf der Liste unterstrichen. Der wird Jean-Baptiste in Helsingör erwarten und ihn von dort als Kammerherr nach Stockholm begleiten. Seinem Namen hat Jean-Baptiste das Wort »Etikettefragen« hinzugefügt. Dann gibt es einen Grafen Toll, Gouverneur von Schonen. Der Außenminister heißt von Engström und der Erzbischof Jakob Axel Lindholm. »Ich lasse dir diese Liste hier, bitte lerne die Namen mit Hilfe von Brahe auswendig«, sagte Jean-Baptiste. »Aber ich kann sie nicht aussprechen«, klagte ich. »Wie sprichst du zum Beispiel Löwenhjelm aus?« Jean-Baptiste konnte es auch nicht.
»Aber ich werde es lernen, man kann alles lernen, wenn man nur will«, sagte er. Und fügte hinzu: »Du musst dich mit deinen Reisevorbereitungen beeilen, ich will nicht, dass du mit Oscar länger als unbedingt nötig hier bleibst. Sobald ich deine Zimmer im königlichen Schloss in Stockholm eingerichtet habe, wirst du die Reise antreten, versprichst du mir das?« Es klang sehr eindringlich. Ich nickte. »Ich habe übrigens daran gedacht, das Haus hier zu verkaufen«, meinte er nachdenklich. »Nein, nein – Jean-Baptiste, das darfst du mir nicht antun!« Er sah mich erstaunt an. »Wenn du Paris später einmal besuchen willst, kannst du doch bei Julie wohnen. Es ist ein ganz überflüssiger Luxus, das große Haus hier zu halten.« – »Es ist mein Heim. Und du kannst mir nicht so ohne weiteres mein Heim wegnehmen. Wenn wir noch Papas Villa in Marseille hätten … Aber wir haben sie nicht mehr. Lass mir das Haus hier, Jean-Baptiste, lass es mir!«, flehte ich und: »Du wirst doch auch wieder nach Paris kommen. Dann wirst du froh sein, dein Haus zu haben. Oder willst du von nun an in einem Hotel oder in der schwedischen Botschaftwohnen?« Es war spätnachts, wir saßen auf der Kante von Jean-Baptistes Bett, seine Reisetaschen standen voll gepackt herum. »Wenn ich jemals wiederkomme, wird es mir schwer fallen und wehtun«, murmelte er und starrte ins Kerzenlicht. »Du hast Recht, dann wird es am besten sein, hier abzusteigen. Wir behalten das Haus, kleines Mädchen.« Heute Vormittag fuhr der große Reisewagen vor. Fernand verstaute das Gepäck und nahm schließlich am Wagenschlag Aufstellung. Er trug noch immer seine weinrote Uniform, hatte aber Knöpfe mit dem schwedischen Reichswappen darangenäht. In der Vorhalle wartete Gustaf Mörner auf Jean-Baptiste. Ich begleitete ihn mit Oscar die Stiegen hinunter. Er hatte den Arm um meine Schultern gelegt, es war eigentlich nicht anders als die vielen Male, in denen er Abschied genommen hat, um an die Front zu reisen oder einen Gouverneursposten anzutreten. Vor der Büste General Moreaus machte er plötzlich halt und starrte in das Marmorgesicht. Wie sie die Republik geliebt haben, diese zwei. Und jetzt lebt der eine in Amerika im Exil, der andere ist Kronprinz geworden … »Schick die Büste mit meinen übrigen Sachen nach Stockholm«, sagte Jean-Baptiste kurz. Dann umarmte er Oscar und mich. »Sie haften mir, dass meine Frau und Oscar bald nachkommen, Graf Brahe«, sagte er heiser. »Es kann sogar von ungeheurer Wichtigkeit sein, dass meine Familie Frankreich sehr bald verlässt. Verstehen Sie, was ich meine?« Graf Brahe hielt dem Blick Jean-Baptistes stand. »Ich glaube schon, Hoheit.« Dann stieg Jean-Baptiste sehr schnell in den Reisewagen, Mörner nahm neben ihm Platz, Fernand schlug die Wagentür zu und schwang sich neben den Kutscher auf den Bock. Einige Passanten blieben stehen, ein invalider Soldat mit den Medaillen aller Feldzüge auf der Brust rief: »Vive Bernadotte!« Jean-Baptiste zog schnell die Vorhänge zu.
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Helsingör in Dänemark, in der Nacht
vom 21. zum 22. Dezember 1810.
I ch habe nicht gewusst, dass Nächte so lang und kalt sein können. Morgen werde ich mit Oscar das Kriegsschiff mit den vielen Wimpeln besteigen, das uns über den Sund nach Schweden bringen wird. Wir werden in Hälsingborg landen, Schweden wird Kronprinzessin Desideria begrüßen und ihren Sohn, den Erbprinzen. Meinen guten, kleinen Sohn … Marie hat mir vier Wärmflaschen ins Bett gelegt. Vielleicht vergeht die Nacht schneller, wenn ich schreibe, ich habe vieles nachzutragen. Aber ich friere trotz aller Wärmflaschen. Am liebsten würde ich aufstehen und Napoleons
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