Désirée
des Wagens. »Und als alles entdeckt wurde, ist diesem Struensee oder wie er nun geheißen hat, der Kopf abgeschlagen worden, und die arme Königin hat man verbannt. Schrecklich!«, sagte die La Flotte aufgeregt. Villatte murmelte: »Bei uns war es umgekehrt, was nämlich Marie Antoinette und Axel Fersen betrifft.« – »Pst, Villatte«, ermahnte ich schnell. Fersen war schließlich Schwede, vielleicht war dieser junge Brahe irgendwie mit ihm verwandt. »Wie hat der Vater des jetzigen dänischen Königs geheißen?«, erkundigte ich mich. »Nachdem der jetzige König Frederik heißt, muss sein Vater ein Christian gewesen sein«, meinte Villatte. »Muss nicht, aber war es«, sagte Graf Brahe. »Der unselige Christian VII.« – »Warum unselig? Weil ihn seine Frau betrogen hat?«, wollte die La Flotte wissen. »Nicht gerade deshalb. Sondern weil er geistig nicht ganz – ich meine, man nimmt an, dass er geistesgestört oder –« »Also kuckuck würde Napoleon sagen«, entschied Villatte. »Nicht nur das Haus Vasa, auch in Dänemark –«, begann die La Flotte. »Madame, Sie vergessen sich«, wies ich sie schnell zurecht und zog den Pelz fester um mich. Muss Oscar eine Prinzessin aus altem Fürstengeschlecht heiraten?, ging es mir durch den Kopf. Ich fröstelte. »Wir sollten halten und heißes Wasser für die Wärmflaschen Ihrer Hoheit auftreiben«, schlug die La Flotte vor. Ich schüttelte den Kopf. Ich fror nicht nur, weil es kalt war. Ich fror doch vor Angst. So viel Schatten, dachte ich, die wir vertreiben sollen. Der Abend in Kopenhagen verlief wie ein wirrer Traum. Das kleine Königsschloss wird erst seit sechzehn Jahren von der königlichen Familie bewohnt, im Schein der Fackeln sah ich einen reizenden Rokokobau, einladend und sehrfreundlich. Ich war steif vor Kälte und Müdigkeit. Marie massierte meine Füße, während mich Yvette frisierte. Ich zog eine meiner neuen weißen Toiletten an und fragte nach Oscar. Marie sagte, dass das Kind kaum die Augen offen halten könne. »Dann muss Oscar ins Bett«, befahl ich. Marie verschwand mit diesem Bescheid. Aber sofort ließ sich Graf Brahe bei mir melden. »Der Erbprinz muss unter allen Umständen an der Galatafel teilnehmen«, erklärte er ruhig. »Von Kindererziehung hat man an euren alten Höfen keine Ahnung, deshalb sind auch die meisten Könige so kuckuck«, antwortete ich wütend. Graf Brahe gab keine Antwort, sondern sah mich nur vorwurfsvoll an. »Lassen Sie das Kind ankleiden«, seufzte ich. »Die schwedische Kadettenuniform, die ihm mein Mann geschickt hat!« Als ich fertig angezogen war, hielt mir Marie ein Glas Champagner hin. Ich trank es aus, aber meine große Traurigkeit ließ nicht nach. Das dänische Königspaar war sehr freundlich zu mir, beide Majestäten sprachen ausgezeichnet Französisch und betonten, wie sehr sie den französischen Kaiser bewunderten. Der König bat mich inständig, mir am nächsten Morgen die Zerstörungen anzusehen, die ein Bombardement der englischen Flotte in Kopenhagen angerichtet habe. Ich versprach es hoch und heilig. Während des Soupers wiederholte der König, wie sehr er mit Napoleon fühle – England sei der gemeinsame Erzfeind. »Und dabei war Ihre Mutter doch eine englische Prinzessin«, entfuhr es mir. – Wirklich, ich wollte nicht taktlos sein, aber ich war so müde, dass ich alles aussprach, was mir in den Sinn kam. Bei Erwähnung seiner Mutter wurde der König peinlich berührt. Mein Blick fiel auf Oscar, der im Halbschlaf Eiscreme löffelte, und ich sagte: »Man soll seine Mutter nie verleugnen, Majestät.« Da hob Seine Majestät sehr schnell die Tafel auf, und wir begaben uns in den Ballsaal.
Und nun sind wir beinahe drei Tage in dieser kleinen Stadt Helsingör, von hier aus kann man nach Schweden hinübersehen, vorausgesetzt, dass es nicht neblig ist. Aber es ist neblig. Und so hoher Seegang, dass Graf Brahe die Überfahrt immer wieder verschiebt. »Hoheit können doch nicht seekrank in Schweden ankommen. Auf der anderen Seite des Sundes will nämlich eine große Volksmenge die neue Kronprinzessin sehen.« Wir warten … Der schwedische Handelsagent Glörfelt, der hier wohnt, bat mich, sein Kind aus der Taufe zu heben und ihm einen hübschen Namen zu geben. Ich nannte den Säugling Jules Désiré Oscar, weil ich mich gerade so nach Julie sehnte. Dann besichtigte ich mit Oscar die Festung Kronborg, und als wir über den Schlossgarten fuhren, krachten plötzlich die Kanonen, um uns zu begrüßen. Die La
Weitere Kostenlose Bücher