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Désirée

Désirée

Titel: Désirée Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annemaire Selinko
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säuselte er. »Frankreich ist stolz auf seinen großen Sohn –!«
    »Lassen Sie das, Fouché, ich habe soeben meine französische Staatsbürgerschaft aufgegeben«, sagte Jean-Baptiste gequält.
    »Ich weiß, Hoheit, ich weiß!«
    »Dann entschuldigen Sie uns bitte. Wir können jetzt niemanden empfangen«, sagte ich und nahm ihm die Rosen ab. Als wir endlich allein waren, setzten wir uns nebeneinander aufs Sofa und waren so müde, als ob wir einen langen, langen Weg gewandert wären. Nach einer Weile stand Jean-Baptiste auf, trat ans Klavier und schlug zerstreut mit einem Finger auf die Tasten. Die Marseillaise. Er kann nur mit einem Finger spielen und nur die Marseillaise … »Ich habe heute Napoleon zum letzten Mal im Leben gesehen«, sagte er unvermittelt. Und klimperte weiter. Dieselbe Melodie, immer dieselbe …

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    Paris, 30. September 1810.
    H eute Mittag ist Jean-Baptiste nach Schweden abgereist. Während der letzten Tage war er so beschäftigt, dass wir kaum richtig Abschied nehmen konnten. Das französische Außenministerium musste ihm eine Liste jener Schweden anfertigen, die man hier für bedeutungsvoll hält. Mörner und Graf Brahe erklärten ihm dann, wer die einzelnen Persönlichkeiten eigentlich sind. Eines Nachmittags ließ sich Baron Alquier bei uns melden. Er trug seine goldbestickte Botschafteruniform und das ewige Lächeln aller Hofbälle. »Seine Majestät hat mich zum französischen Botschafter in Stockholm ernannt, und ich möchte vor meiner Abreise noch Eurer Königlichen Hoheit meine Aufwartung machen.« »Sie brauchen sich nicht vorzustellen, wir kennen einander doch seit Jahren«, sagte Jean-Baptiste ruhig. Seine Augen wurden schmal. »Sie waren Botschafter Seiner Majestät in Neapel, als die neapolitanische Regierung gestürzt und ein Kabinett nach den Wünschen Seiner Majestät eingesetzt wurde.« Alquier nickte lächelnd: »Prachtvolle Landschaft rund um Neapel …« »Und Sie waren Botschafter Seiner Majestät in Madrid, als die spanische Regierung zum Rücktritt gezwungen und ein neues Kabinett – den Wünschen Seiner Majestät entsprechend – eingesetzt wurde«, fuhr Jean-Baptiste fort. »Eine schöne Stadt, dieses Madrid, nur etwas zu heiß«, bemerkte Alquier. »Und jetzt kommen Sie also nach Stockholm«, schloss Jean-Baptiste. »Eine schöne Stadt, aber sehr kalt, höre ich«, meinte Alquier. Jean-Baptiste zuckte die Achseln. »Es kommt vielleicht auf den Empfang an, der einem dort zuteil wird. Es gibt warme Empfänge und – kühle.« Alquier lächelte ununterbrochen: »Seine Majestät, der Kaiser, hat mir versichert, dass mich Eure KöniglicheHoheit sehr warm empfangen werden. Als ehemaligen Landsmann sozusagen.« »Wann reisen Sie, Exzellenz?« »Am 30. September, Hoheit.« »Dann werden wir wohl gleichzeitig Stockholm erreichen.« »Welch glücklicher Zufall, Hoheit!« »Generäle überlassen selten etwas dem Zufall, Exzellenz. Und der Kaiser ist in erster Linie General«, sagte Jean-Baptiste und erhob sich. Alquier musste sich verabschieden. Kuriere aus Stockholm überbrachten Meldungen über die großartigen Empfangsvorbereitungen. Dänische Diplomaten sprachen vor und berichteten, dass Kopenhagen zur festlichen Begrüßung des schwedischen Kronprinzen rüste. Jeden Vormittag kam der Pastor der evangelischen Gemeinde in Paris, um Jean-Baptiste Religionsunterricht zu erteilen. Jean-Baptiste soll nämlich noch vor seiner Ankunft in Schweden, und zwar in einer dänischen Hafenstadt, Helsingör heißt sie, vom katholischen Glauben zum evangelischen übertreten und in Anwesenheit des schwedischen Erzbischofs das Augsburger Religionsbekenntnis unterschreiben. In Schweden ist nämlich der Protestantismus Staatsreligion. »Warst du eigentlich schon einmal in einer evangelischen Kirche, Jean-Baptiste?«, erkundigte ich mich. »Ja, zweimal. In Deutschland. Es sieht wie in einer katholischen Kirche aus. Nur die Heiligenbilder fehlen.« – »Muss ich auch evangelisch werden, Jean-Baptiste?« Er überlegte. »Ich glaube, es ist nicht notwendig, du kannst das halten, wie du willst. Aber für diesen netten jungen Pastor, der mir da täglich Religionsstunden geben will, habe ich jetzt keine Zeit. Er soll inzwischen Oscar unterrichten. Oscar soll das Augsburger Bekenntnis auswendig lernen, und zwar möglichst auch auf Schwedisch. Graf Brahe kann ihm dabei helfen.« Oscar lernt das Augsburger Bekenntnis auf Französisch und auf Schwedisch. Auf Jean-Baptistes Nachttisch liegen die

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