Désirée
Zobelpelz nehmen und ganz still in Oscars Zimmer treten und mich an sein Bett setzen. Ich möchte seine Hand halten und seine Wärme spüren. Sohn, du Teil meines Ichs. Früher habe ich mich so oft an dein Bett gesetzt, wenn ich mich einsam fühlte. In den vielen Nächten, in denen dein Vater an irgendeiner Front kämpfte. Generalsfrau, Marschallin … Ich habe es mir nicht ausgesucht, Oscar. Und ich habe nicht geahnt, dass eine Zeit kommen wird, in der ich nicht ungehindert an dein Bett treten kann. Aber du schläfst nicht mehr allein in deinem Zimmer. Oberst Villatte begleitet uns, seit vielen Jahren der treue Adjutant deines Vaters. Dein Vater hat verlangt, dass Villatte in deinem Zimmer schläft, bis wir im königlichen Schloss in Stockholm angelangt sind. Um dich zu schützen, Liebling. Wovor? Vor Mördern, mein Kind, vor Attentätern, die sich schämen, weil das stolze Schweden bankrott und, seiner verlorenen Kriege und wahnsinnigen Könige müde, einen einfachen Monsieur Bernadotte zum Kronprinzen erwählt hat. Und den kleinen Oscar Bernadotte, Enkel eines Seidenhändlers aus Marseille, zumErbprinzen. Deshalb verlangt dein Vater, dass Villatte in deinem Zimmer schläft. Und der junge Graf von Brahe nebenan. Liebling, wir fürchten uns vor Mördern. In meinem Vorzimmer dagegen schläft Marie. Mein Gott, wie sie schnarcht. Marie und ich sind einen weiten Weg gereist. Zu weit vielleicht. Seit zwei Tagen verhindert der Nebel meine Fahrt über den Sund. Undurchdringlich grau liegt die Zukunft vor mir. Ich habe nicht gewusst, dass es irgendwo so kalt sein kann wie hier in Dänemark. Und dabei sagen alle Leute: »Warten Sie nur, bis Sie erst in Schweden sind, Hoheit!«
Ende Oktober haben wir unser Haus in der Rue d’Anjou verlassen. Ich habe Leinenüberzüge über die Seidenfauteuils gelegt und die Spiegel verhängt. Dann bin ich mit Oscar zu Julie nach Mortefontaine gefahren, um die letzten Tage mit ihr zu verbringen. Aber der junge Brahe und die Herren von der schwedischen Botschaft in Paris schienen kaum erwarten zu können, dass ich Frankreich verlasse. Den Grund dieser Eile habe ich erst gestern erfahren. Aber ich konnte doch nicht abreisen, bevor Le Roy meine neuen Hoftoiletten abgeliefert hatte. Ich saß mit Julie in ihrem herbstlichen Garten, es roch nach feuchter warmer Erde. Ihre kleinen Mädchen spielten mit Oscar, sie sind mager und blass wie Julie und erinnern nicht an die Bonapartes. »Du wirst mich bald in Stockholm besuchen, Julie«, sagte ich. Aber sie zuckte nur die schmalen Schultern: »Sobald die Engländer aus Spanien vertrieben sind, muss ich nach Madrid. Dort bin ich leider Königin.« Zu den Anproben im Salon Le Roy begleitete sie mich. Endlich konnte ich mir weiße Hoftoiletten bestellen. In Paris habe ich die Farbe immer vermieden, weil Josephine stets Weiß trug. Aber in Stockholm weiß man wenig von der früheren Kaiserin und ihren Kleidern. Irgendjemand hat mir erzählt, dass Königin Hedvig Elisabeth und ihre Damen sichnoch die Haare pudern. Vorstellen kann ich mir das nicht, so unmodern kann man doch nicht einmal in Schweden sein … Aber wie gesagt, Brahe drängte zur Abreise. Am ersten November wurden die Toiletten geliefert, und am dritten fuhren die Reisewagen vor. Ich nahm im ersten mit Oberst Villatte, dem Doktor – Jean Baptiste hat in Paris einen Leibarzt für die Reise engagiert – und der La Flotte Platz. Im nächsten Wagen folgten Oscar, Graf von Brahe und Marie. Im dritten Wagen war unser Gepäck verstaut. Ursprünglich wollte ich auch meine Vorleserin mitnehmen. Aber die hat bei dem bloßen Gedanken, Paris zu verlassen, so bitterlich geweint, dass ich sie Julie empfahl. Eine neue Vorleserin engagieren? Graf Brahe hat mir erzählt, dass die schwedische Königin meinen Hofstaat zusammengestellt hat. Hofdamen, Vorleserinnen, Kammerfrauen. Die La Flotte dagegen war Feuer und Flamme für die Reise, weil sie sich in den Grafen Brahe verliebt hat. »Dass Sie schreiben können, weiß ich, für Ihre Berichte über den Kronprinzen und mich sind Sie ja von der Polizei ganz gut bezahlt worden«, sagte ich zu ihr. »Aber – können Sie auch lesen?« – Sie war blutrot geworden. »Wenn Sie auch lesen können, brauche ich nämlich keine neue Vorleserin zu engagieren.« Die La Flotte senkte den Kopf. »Ich freue mich so auf Stockholm – das Venedig des Nordens«, lispelte sie. »Das Venedig des Südens wäre mir lieber, ich bin nämlich aus dem Süden«, seufzte ich. Das alles
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