Desperado der Liebe
sie als Gefangene hielten und mit ihr verfuhren, wie es ihnen gerade beliebte, und ihr alles nur erdenklich Schlimme antaten. Als sie genug von ihr hatten, steckten sie ihr ein paar Geldstücke zu und überließen sie ihrem Schicksal. Sie war gezwungen, zu Fuß in ihr Dorf zurückzukehren, was ihr auch mühsam gelang, geschwächt von ihren Wunden und halb von Sinnen, getrieben von dem Gedanken, daß sie Hilfe brauchte und daß sie nach Hause mußte.
Da es in einem kleinen Ort keine Geheimnisse gibt, wußte natürlich jeder von ihrer Schmach. Doch es war nicht das erste Mal, daß einer jungen Frau aus Yermavilla etwas derart Schreckliches zugestoßen war, und es würde auch nicht das letztemal gewesen sein. Dennoch konnte Marisol die Bürde ihrer Entehrung nicht tragen, vor allem nicht, als sie feststellen mußte, daß sie von einem ihrer Peiniger schwanger war. Sie war erschrocken und entsetzt bei der Vorstellung, daß Rigo, den sie von ganzem Herzen liebte, gezwungen sein würde, nicht nur das Stigma seiner geschändeten Frau, sondern ebenso das eines Kindes zu ertragen, das nicht seines war, eine ständige Erinnerung an ihre Schande. In einem verzweifelten Versuch, sich des Beweises ihrer Schmach zu entledigen, trank sie ein Kräutergebräu, um den ungewollten Fötus abzutreiben. Doch der giftige Trank und die darauffolgende Abtreibung erwiesen sich als zuviel für sie. Als Rigo von seinem Beutezug zurückkehrte, fand er seine Frau todkrank in jenem Bett vor, das sie als frisch Vermählte geteilt hatten.
Marisol lebte noch lange genug, um ihre tragische Geschichte und die Namen der Gringos, die sich an ihr vergangen hatten - angeführt von Judd Hobart, dem brutalsten von allen -, auszuhauchen, und starb dann in Rigos Armen. Erfüllt von Schmerz, Haß und Wut brachte er den Rest der Nacht damit zu, Marisols Leichnam zu waschen und sie in ihre hübschesten Kleider zu kleiden und sie für die Bestattung vorzubereiten. Im Morgengrauen trug er sie dann in die Kirche des Dorfes, wo er sie vorsichtig auf den Altar bettete und schwor, nicht eher zu ruhen, bis ihre grausame Entführung, ihre schreckliche Schändung und ihr qualvoller Tod gerächt waren. Rigo hatte schon immer ein hitziges Temperament gehabt, das inwischen legendär war in Yermavilla, ebenso wie er sich darauf verstand, mit den Fäusten und mit Pistole und Messer umzugehen. Nicht wissend, daß Marisol durch eigene Hand ums Leben gekommen war (Rigo hütete dies als sein Geheim nis, damit sie in Ehren auf dem Friedhof der Kirche begraben wurde), kamen die Einwohner des Dorfes zu dem unguten Schluß, daß er sie in einem Wutanfall und aus lauter Beschä mung über ihre Schmach umgebracht hatte.
Daß ihn seine Landsleute für einen Mörder hielten, erfuhr Rigoi erst sehr viel später, denn er verließ sofort Yermavilla und kehrte zu der Bande Abtrünniger und Gesetzloser zurück, bei denen er auch die kommenden fünf Jahre blieb. Angetrieben von seinem brennenden Verlangen nach Vergeltung, erwies er sich schon bald als der Verwegenste, Tapferste und Gefährlichste von allen Banditen, und so dauerte es nicht lange, bis er zu ihrem Anführer wurde. Mit den Namen im Gedächtnis, die Marisol ihm zugehaucht hatte und die auf alle Ewigkeit in sein Gehirn gebrannt waren, begann er seine systematischen Über fälle auf die Ranches jenseits der Grenze in Texas, stahl Pferde und Rinder und ließ jedesmal einen Brief zurück, in dem er die schändlichen Verbrechen von Judd Hobart und seiner Kohorte ankagte, für die Rigo Rache geschworen hatte.
Er setzte auch Noble Winthrop, Judds Patenonkel, auf die Liste seiner Feinde, als sich Noble als einflußreich genug erwies, um gemeinsam mit den Hobarts den Skandal um Judd Hobarts Verbrechen unter den Teppich zu kehren. In der Zwi schenzeit nutzte er das auf ungesetzliche Weise erworbene Geld, das aus dem Verkauf ihrer Beute stammte, um ein Vermögen zu machen, das er - entschlossen, mehr zu sein als ein Leben lang nur ein Desperado - nutzte, um zu reisen und sich in der Welt umzusehen, bis er nach seiner Rückkehr schließlich eine Ranch in Mexiko und eine in Texas erwarb, womit er auf einer Stufe mit den hacendados und texanischen Rinderbaronen stand. Als die Revolution in Mexiko ausbrach, hatte er genug Geld, um die Rebellen jenseits der Grenze mit Waffen und Nachschub zu versorgen, und mehr als genug Intelligenz und Erfahrung als Banderolo, um seine Männer, die er nie entlassen hatte, in Guerilla-Kämpfen
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