Deus Ex Machina - Teil 2: Thriller
Walter Beekmann, Dekan an der Westfälischen Wilhelms-Universität und Mitglied des Stadtrats, bereits am Samstagabend in seinem Haus in Münster tot aufgefunden worden. Er wurde Opfer eines Gewaltverbrechens. Des Weiteren ist am Sonntagnachmittag in einer spektakulären Polizeiaktion die Leiche eines jungen Mannes, dessen Identität noch nicht abschließend geklärt ist, aus dem Aasee geborgen worden. Auch in diesem Fall kann ein Gewaltverbrechen nicht ausgeschlossen werden. Washington. Wie der Sprecher des Weißen Hauses heute erklärte -“
Eva schaltete das Radio aus und rieb sich die Augen. Seit Tagen verfolgte sie das Gefühl, irgendwie neben sich zu stehen. Vor Frank Laurenz´ Tod war ihr Leben in geordneten Bahnen verlaufen. Gewissenhaft hatte sie für ihre Diplomarbeit über den Prager Fenstersturz recherchiert, Führungen organisiert und ihre Chancen ausgelotet. Sie hatte Kontakte geknüpft und Gespräche geführt. Wenn alles so laufen würde, wie sie es sich vorstellte, stand einer Laufbahn als Historikerin nichts mehr im Wege. Zwar würde sie die heimatlichen Gefilde verlassen müssen – in Münster waren alle in Frage kommenden Stellen langfristig besetzt -, aber seit der Trennung von Philip stand diesem Schritt nichts mehr im Wege.
Es war ein komisches Gefühl, Philip so hilflos zu sehen. In ihrer gut fünf Jahre währenden Beziehung hatte sie seine Zielstrebigkeit stets bewundert. Je überzeugter er von einer Sache war, desto kämpferischer trat er für sie ein. Bei seinem Engagement für den AStA hatte sie immer wieder staunen müssen, wie er in den absurdesten Positionen mit der ihm eigenen Verbissenheit seine Standpunkte durchsetzte. In Gedanken verglich sie ihn mit einem kleinen Jungen, der mit naivem Eifer eckige Bauklötze durch eine runde Öffnung zu quetschen versucht. Philips Problem war, dass er die Verhaltensweisen, die ihn in der Hochschulpolitik nach oben gebracht hatten, auf alle anderen Bereiche ausdehnte. Ständig auf Konfrontationskurs gebürstet. Immer auf der Jagd nach Reibungspunkten. Zigmal hatte Eva ihn mit Engelszungen darauf hinzuweisen versucht, doch Philip hatte ihre Kritik stets unbeeindruckt an sich abprallen lassen und ihre Bemühungen als Nörgelei abgetan. Von Anfang an war es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis sie ihm dafür die Quittung präsentieren würde. Als der Moment schließlich gekommen war, hatte Philip nur mit hängenden Schultern dagestanden und sie mit großen Augen angestarrt. Er hatte nichts begriffen. Offensichtlich verstand er immer noch nichts, und Eva konnte sich einfach nicht erklären, warum sie sich ihm noch immer so verbunden fühlte. In Philips Wohnung, als Bernhard Laurenz gegangen war, hatte sie wieder jenes Kribbeln in der Magengegend verspürt. Seine Nähe genossen. Er hatte so unsicher und verletzbar gewirkt. Philip machte sich Sorgen um sie. Das war offensichtlich. Und doch hatte sie sein Übernachtungsangebot abgelehnt.
Eva schlurfte ins Bad, zog ihre Ringe ab und legte sie auf das Waschbecken. Während sie sich die Zähne putzte, musterte sie ihr Spiegelbild. Die dunklen Ringe unter den Augen. Die blasse, ungesunde Gesichtsfarbe. Sie zog ihre Bluse aus und hielt den Kopf unter das kalte Wasser. Genoss das erfrischende Gefühl im Nacken. Als sie sich wieder aufrichtete, die Augen fest geschlossen, spürte sie die Wasserperlen, die an ihrem Hals entlangrannen. Über die Brüste. Über den Bauch.
Sie öffnete die Augen.
Ihr Gesicht im Spiegel war nicht mehr allein.
Noch bevor sie schreien konnte, tauchte eine Hand im Spiegel auf und presste ihr ein Taschentuch auf den Mund. Eva versuchte, sich am Waschbecken festzuklammern, doch ihr Körper gehorchte ihr nicht mehr. Sie verlor den Halt und sackte in einem Scherbenmeer aus Toilettenutensilien zu Boden.
Die klassischen Motive
Es war kurz nach acht in der Früh, als Karl Hagner in Rensings Büro kam. Er hielt eine Akte in der Hand.
„Erste Ergebnisse vom gerichtsmedizinischen Institut?“, fragte Rensing.
Hagner griff nach der Kaffeekanne, die zwischen Aktenstapeln, Ablagekästen und dem alten Faxgerät auf einem Sideboard stand. Er schüttelte sie kurz, schraubte den Verschluss ab und linste hinein. „War ja klar“, murmelte er. „Hättest du nicht wenigstens Kaffee aufsetzen können?“ Aus dem Sideboard kramte er die Dose Jacobs und einen Filter hervor und schlenderte zur Kaffeemaschine in der Ecke. „Grothues lässt ausrichten, dass er noch einige Zeit brauchen wird,
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