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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
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wurden laut, welche
Metternich
und
Seldnitzky
, den verhaßten Polizeiminister, als Diebe und Verräther bezeichneten, und deren Verjagung verlangten. Man verlas unter lautem Enthusiasmus Kossuth's Rede, die er in Preßburg gehalten, und eine Deputation von sechs Studenten und sechs Bürgern verlangte, in die Ständeversammlung eingeführt zu werden, um dort die Wünsche des Volkes vorzutragen. Als diese Deputation sobald nicht wieder erschien, fürchtete man draußen Verrath, das Volk drang in das Ständehaus ein, und so sahen sich die Versammelten genöthigt, sich der Bewegung anzuschließen, und den Versuch zu machen, bis zu dem Monarchen vorzudringen.
    In diesem Augenblicke mochte man in Wien, wenn man Alles genau gewußt, mit Wallenstein sprechen: »In seiner Hofburg zitterte der Kaiser!« Metternich wollte Gewalt anwenden, die Andern stimmten ihm jedoch nicht bei, doch ließ man unklugerweise Soldaten ausrücken und schickte sie nach dem Ständehause. Sie wurden vom Volke verhöhnt, hin und hergeschoben und geneckt, bis sich der Tumult so weit steigerte, daß ein Volkshaufe das Ständehaus zu zerstören begann. Daraufhin gaben die Soldaten eine Salve, die mehrere der Tumultuanten zu Boden streckte. Nun legte sich, um weiteres Unheil zu verhüten, das Bürgerthum in's Mittel; man uniformirte sich als Nationalgarde, und die angesehensten Männer bestürmten die »Staatsconferenz« zur Nachgiebigkeit. Als Metternich sich unbeugsam zeigte, fort und fort von einem »verführten Pöbel« sprach, wurden ihm die Worte entgegen geworfen: »Das ist kein Krawall, das ist eine Revolution!« Während man verhandelte, erschien auch noch der greise
Jenull
, der Rector der Universität, in dem Schlosse und verlangte die Bewaffnung der Studenten, weil dieselben gedroht, sie würden sonst das Zeughaus stürmen. Da, in der höchsten Bestürzung, erinnerte man sich, daß der Rector das Recht hatte jederzeit unangemeldet vor dem Kaiser zu erscheinen. Er schickte sich an, davon Gebrauch zu machen, aber an Ferdinand's Stelle empfingen ihn
seine Brüder
, die Erzherzöge, und als der alte Mann nun aus der Unterredung mit ihnen heraushörte, wie wenig sie noch die ganze Sachlage begriffen, da warf er sich in seiner Angst auf die Kniee nieder und schilderte flehend die schrecklichen Folgen, welche entstehen müßten, wenn man sich nicht rasch zu Zugeständnissen entschließen würde. Das Resultat seiner Darstellung war, daß man nun doch zu dem Entschlusse kam, die Censur aufzuheben; über solch' geringe Zugeständnisse war man aber draußen nun schon längst hinaus. Als jetzt die Deputationen zu nochmaliger Berathung von der »Staatsconferenz« empfangen wurden, erhoben sich bereits Stimmen, die ohne Scheu vor dem allmächtigen Minister, Metternich's Entfernung verlangten, und er besaß Würde genug, dieselbe in diesem kritischen Augenblicke freiwillig anzubieten. Niemand widersprach ihm, ein tiefes Schweigen ringsum verurtheilte ihn zur Abdankung, bis ein alter Bürgerofficier das Wort ergriff und ehrlich heraus sagte: »Durchlaucht, wir haben nichts gegen Ihre Person, aber Alles gegen Ihr System; und darum müssen wir wiederholen, nur durch Ihre Abdankung retten Sie Thron und Monarchie!« – So stürzte der Mann mit einem Schlage, der Europa so lange in Ketten und Banden gehalten hatte; nur ging leider so schnell nicht mit ihm auch das alte System zu Grabe, dazu war es zu tief eingewurzelt, und die Welt konnte nicht plötzlich über Nacht eine Andere werden. Nur der vornehmste Träger des Systems war mit Metternich gestürzt, und dennoch, als diese Kunde die Welt durchflog, da glaubte Jeder sich wie von einem Alp befreit, der in tödtlicher Erstarrung auf ihm gelastet, und nicht minder groß war die Freude, daß sich noch eine Vergeltung innerhalb der gegenwärtigen Geschichte vollzog, daß der Mann, der so viel Großes und Gutes zu Grunde gerichtet, aufbewahrt geblieben, um den totalen Sturz dessen mit anzusehen, was er so fest begründet wähnte. –
    Nun folgte rasch, während Alles von Glück strahlte, die Bewaffnung der Studenten und des Volkes, die Bildung einer Nationalgarde, und ganz zuletzt konnte sich die Regierung dann auch der Gewährung einer
Constitution
nicht länger entziehen, wie mühsam sie sich auch dazu entschloß. Die Wiener Studenten waren die Helden des Tages, man erdrückte sie fast mit Enthusiasmus und Anerkennung, und das östreichische Volk, dem so plötzlich die goldene Frucht der Freiheit zugefallen,

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