Deutsche Geschichte Von 1815-1870
länger zu bezwingen, und immer blutiger wurden die Zusammenstöße zwischen Militär und Volk. Aber die Versammlung lehnte mit Stimmenmehrheit Nauwerk's Antrag ab, und auch das Anerbieten der Studenten, man möge sie bewaffnen, sie verpflichteten sich alsdann keinen Exceß zu dulden, wurde verworfen. Aber im Königsschlosse begann jetzt eine gewisse Beunruhigung Platz zu greifen. Man hatte aus Wien die sichere Kunde vom Sturze Metternich's empfangen, und wenige Stunden später langte die Fürstin Metternich selbst, flüchtigen Fußes und von Allem entblößt, in Berlin an. –
Unter diesen Eindrücken wurde endlich am 17. März die Beseitigung der Censur bewilligt, und nun kam auch in die Berliner Bürgerschaft etwas von politischem Geist; 6000 Bürger beschlossen am nächsten Tage vor das Schloß zu ziehen, um die Freigebung der Presse, Berufung des Landtages und Volksbewaffnung zu fordern. Aus den Rheinlanden kamen Nachrichten, die den Verlust der Provinzen befürchten ließen, wenn der König nicht nachgab und auch die übrigen Landestheile befanden sich in der höchsten Aufregung. Da vernahm man endlich der König habe der rheinischen Deputation in einer zweiten Audienz ihre Wünsche gewährleistet, und am nächsten Morgen, am 18. März, erschien eine Proclamation des Königs, welche sich in deutschnationalem Sinne aussprach. Er versprach dahin zu wirken, daß die Bundesverfassung revidirt und ihr eine Volksvertretung beigegeben werde; desgleichen wurden eine deutsche Wehrverfassung, ein Bundesgericht, Freizügigkeit, eine deutsche Flotte und Bundesflagge in Aussicht gestellt. Am Schlusse versprach die Proclamation die alsbaldige Einberufung des vereinigten Landtags. – Ehe diese frohen Nachrichten sich jedoch allgemein verbreiten konnten, hatte sich schon, da die Stadtverordneten auf Mittags 2 Uhr eine Bürgerversammlung auf dem Schloßplatze anberaumt hatten, eine ungeheure Volksmenge vor dem Schlosse angesammelt, die, als man ihr das eben Erwähnte mittheilte, in so stürmische Hochrufe für den König ausbrach, daß derselbe sich auf dem Balkon zeigte und wiederum laut begrüßt wurde. –
Dieser verfrühte Jubel bewies die geringe, politische Bildung der Menge; für Preußen selbst war ja in der Proclamation sehr wenig gesagt. Man mußte jetzt die
Entfernung des Ministeriums
und augenblickliche
Volksbewaffnung
verlangen, denn immer größere Militärmassen waren in die Stadt gezogen worden, alle Schloßhöfe sah man mit Kanonen und Soldaten gespickt, und doch hätte eine kluge Regierung jetzt jeden Zusammenstoß zwischen Jenen und der erregten Bevölkerung zu vermeiden suchen sollen; die Tieferblickenden waren sich wohl bewußt, daß diese Sache noch nicht zu Ende sei, am Hofe selbst aber war man fest überzeugt, der Sturm, dem man sich momentan beugte, werde schnell vorüberziehen. Man wünschte sehnlich, daß die Menge sich nun entfernen möge, aber als jetzt der verhaßte Minister Bodelschwingh auf den Balkon trat und die Leute aufforderte, wieder ruhig nach Hause zu gehen, als Officiere des am Schlosse aufgestellten Regimentes die Forderung dringender wiederholten, in oft roher und grober Weise, da schlug die Stimmung plötzlich wieder um und es brach sich mit einem Male in der Menge der Gedanke Bahn: der Minister muß entfernt werden, und mit ihm das Militär! Man rief laut, der König solle die Truppen wegschicken und sich seinen Bürgern anvertrauen, sie würden dies als das Pfand seiner Versprechungen betrachten. Während Graf Arnim im Namen der Bürger darüber mit dem Könige verhandelte, fielen die zwei bekannten und verhängnißvollen Schüsse aus dem Innern des Schloßhofs, die später von keiner Seite aus wollten gefallen sein. Unter dem Ruf: Wir sind verrathen! stob die Menge auseinander, doch gelang es noch umsichtigen Leuten sie wieder zu beruhigen und die Sache als ein Mißverständniß darzustellen. Als aber nun die entschiedene Weigerung des Königs, die Truppen wegzuschicken, bekannt, als gleich darauf von den Dragonern scharf eingehauen wurde, auch eine gleichzeitige Salve, ohne jegliche vorherige Aufforderung in die dichten Volkshaufen einschlug und mehrere Leute zu Boden streckte, da brach jener blutige, entsetzliche Straßenkampf aus, welcher der deutschen Freiheitsgöttin, die bis dahin ihr Gewand fleckenlos getragen, den Saum desselben in blutiges Roth tauchte. Im Nu. waren eine Menge von Barrikaden errichtet, man stürzte Droschken und Wagen um, versperrte damit die Ausgänge
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