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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
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erwartete sich nun eine herrliche Zeit, aber es sollte im Gegentheil sich schon nach wenigen Wochen in ein Gewirre, in eine Anarchie gestürzt sehen, wie sie bei den sich widerstrebenden und widersprechenden Elementen dieses Staates ganz unausbleiblich war.
Das alte Oestreich
war durch die Wiener Revolution vollständig und mit Recht von Grund aus zerstört, aber schwere Zeiten folgten dem Umsturz, bis sich das Neue entwickelte und gestaltete. Bei uns im Reiche jubelte und jauchzte man natürlich den Wiener Ereignissen enthusiastisch zu, und träumte ganz eben so leichtgläubig wie dort, von einem neuen deutschen Kaiser aus dem Hause Habsburg, der das schwarz-roth-goldene Banner wieder zu Ehren brächte.
    Unmöglich wäre die Erfüllung dieser Vorstellungen auch nicht gewesen, wenn Oestreich, das damals
alle
Sympathien für sich hatte, in jenen Tagen einen großen Staatsmann besessen, der mit weitschauendem Blicke die einzelnen Theile des Kaiserstaates sich hätte zerbröckeln und losringen lassen, die kaum noch durch die äußerste Gewalt konnten zusammen gehalten werden, und die mehr und mehr in fieberhaft revolutionärer Stimmung an ihrer gegenseitigen Trennung arbeiteten. Zuerst war es
Ungarn
, das jetzt stürmisch seine Selbstständigkeit verlangte, und höchstens noch eine Personalunion mit Oestreich dulden wollte; die Lombardei und Galizien verlangten eine vollständige Losreißung. Oestreich konnte jetzt ein rein deutscher Staat werden, und an die Spitze Deutschlands treten – aber Keiner hatte die Einsicht dies zu wollen, obwohl selbst die zähesten Staatsmänner daran verzweifelten, die widerwilligen Provinzen wieder in einen engen Zusammenhang mit dem Erzherzogthum zu bringen, die pragmatische Sanction, die sie seit mehr als hundert Jahren an einander fesselte, aufrecht zu erhalten. Dazu gesellte sich noch die Begeisterung der Liberalen in Oestreich selbst, die für den Aufstand in Mailand, wie für das Selbstbestimmungsrecht der
Lombarden
und
Venetianer
schwärmten. Kaum weniger lebhaft sprachen sich eine Menge conservativer Stimmen für Freigebung der Lombardei, »durch ein friedliches Scheiden, gegen Uebernahme eines theiles der Staatsschuld und anderer Bedingungen« aus. In ähnlichem Sinne äußerte man sich auch bezüglich der andern Provinzen: »Oestreich wird ohne Italiens, ohne Polens Besitz kräftiger, blühender, glücklicher sein, als durch die Knechtung dieser Länder«, so ließ sich damals namentlich die Augsburger Zeitung vernehmen und dann wieder hieß es an einer andern Stelle: »Man lasse sich loslösen, was nicht zusammen bleiben kann! Man lasse frei, was nicht mit uns zusammenhängen will! Man scheide die Nationen und lasse sie gewähren, da es vergeblich ist, sie in der gegenwärtigen Vereinigung zu lassen!« –
    Doch ehe wir solchen und ähnlichen Erwägungen weiter Raum geben, die Ereignisse erzählen, die sich ferner daran knüpften, wenden wir uns zurück zu den reindeutschen Verhältnissen. Nachdem die glorreiche Revolution in Wien vom 13. März die Trunkenheit bei uns noch gesteigert hatte, blickte Alles jetzt gespannt auf
Berlin
, wo es unbegreiflich ruhig blieb. Man schmähte, man höhnte darüber, man begriff es nicht, wie auch jetzt wieder das preußische Volk, mit Ausnahme Rheinpreußens, das letzte bleiben konnte, um sich an einer Bewegung zu betheiligen, welche die ganze übrige Nation mit sich fortgerissen: »Diese preußische Politik«, hieß es in der damaligen Presse, »fröstelt uns an, wie ein russischer Nachwinter, gegenüber dem Vorfrühling Süddeutschlands!«
    In der That standen in Berlin Regierung und Volk eine Weile, wie zuwartend einander gegenüber. Wohl kamen an den König Adressen von auswärtigen preußischen Städten, aus Breslau meldete man Ruhestörungen, dazu gesellten sich die Nachrichten vom Rheine, und am 7. März sah sich der König bewogen
Censurfreiheit
, wie er es nannte, zu bewilligen. Am selben Tage zeigten sich in Berlin die ersten Spuren einer Volksbewegung, veranlaßt durch einige junge Schriftsteller. Die Doctoren
Oppenheim
und
Löwenberg
luden zu einer Volksversammlung »unter den Zelten« einem Vergnügungsort im Thiergarten, ein. Etwa 600 junge Männer aus allen Ständen der Gesellschaft kamen zur Besprechung zusammen, und obgleich militärische Vorrichtungen gegen die Versammlung getroffen worden waren, blieb doch Alles ruhig. Man beschränkte sich darauf eine Adresse der Berliner Jugend an den König zu berathen und zu

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