Deutsche Geschichte Von 1815-1870
ähnlichen Krise befand auch geschehen war, forderten. Man hoffte in ihnen doch wenigstens
eine
Garantie der Regierung gegenüber zu haben, da sie entschlußlos hin und her schwankte und jetzt, als die Revolution in Frankreich ausbrach, nichts Besseres zu thun wußte, als das Schreckgespenst des Communismus heraufzubeschwören. Aber vergebens – die Angst, daß der Staatsbankerott, den man schon so lange gefürchtet, nun wirklich ausbrechen werde, überwältigte alle Gemüther; man drängte sich an die Staatskassen, um seine Papiernoten in klingende Münze umzusetzen, in
Ungarn
aber, wo die politische Reife die größte, die Behandlung öffentlicher Angelegenheiten die leichtere war, da man ja dort seine Ständetafeln von Alters her besaß, knüpfte sich unmittelbar an die eben geschilderte Aufregung die offene Revolution an. Am 3. März, nachdem im
Preßburger
Reichstage die Noth des Landes, der Druck der auf Handel und Wandel lastete, war lebhaft geschildert worden, beschloß man, von der Regierung in Wien Aufklärung über die Finanzlage Ungarns zu verlangen. Während dieser Debatten erhob sich
Ludwig Kossuth
, der Agitator Ungarns, und hielt jene berühmte Rede, welche man später als die Taufrede der ungarischen und Wiener Revolution bezeichnet hat. Er verlangte vollständige Beseitigung der absolutistischen Regierungsweise, er schilderte die Hohlheit und den leeren Mechanismus ihres Wesens mit drastischen Worten, »aus den Beinkammern des Wiener Systems«, so rief er aus, »weht eine verpestete Luft uns an, die unsere Nerven lähmt, unsern Geistesflug bannt!« Der Schluß seiner Rede lautete: »Wir bitten daher den
kaiserlichen Thron
mit constitutionellen Einrichtungen umgeben, allen Ländern Oestreichs eine Verfassung verleihen zu wollen!« Unter allgemeinem Jubel den seine folgenden Angriffe auf »den alten Mann Metternich«, zum stürmischsten Beifall gestalteten, trat die Ständetafel Kossuth's Antrag bei, und die Tafel der Magnaten wurde zu demselben Entschlusse mit fortgerissen. Wie man nun jetzt dort in Preßburg ein neues
Ungarn verlangte
, so erhob sich auch
Prag
, und forderte ein
neues Böhmen
; wenige Tage später rief man in Wien nach einem
neuen Oestreich
.
Die Nachrichten, die nun Schlag auf Schlag aus Deutschland eintrafen, wirkten so überwältigend in der Kaiserstadt, daß Censur und Polizei sich wie gelähmt fühlten; die Bevölkerung fing an sich zu Adressen und Petitionen zusammen zu thun; allen Andern voran gingen die Buchhändler, welche Rücknahme der neuen Censurvorlage verlangten. Die Spitze der Regierung, die »Staatsconferenz«, welche schon seit längerer Zeit die Stelle des unzurechnungsfähigen Monarchen vertrat, war völlig rathlos und sah zitternd und bebend die Bewegung wachsen und steigen. Der Wiener Gewerbeverein trat nun gleichfalls hervor und forderte in einer Adresse ein festes Anschließen der Regierung an die gerade versammelten Stände, denn es hatte sich zufällig so gefügt, daß die Regierung nun doch die niederöstreichischen Stände auf den 13. März einberufen hatte. Die Führer der liberalen Parthei entwarfen ihre Forderungen, und gleichzeitig sprach der juridischpolitische Leseverein, unter Anführung des Advocaten und späteren Ministers
Alexander Bach
, in einer Petition unverholen seine Ansicht über die Nothwendigkeit einer östreichischen
Gesammtverfassung
aus. Dieser Kundgebung folgte dann eine Adresse der Wiener Studentenschaft, die am tapfersten zu Werke ging und frischweg Preß-, Rede-, Lern-, Lehr-Freiheit verlangte, außer der Volksvertretung und einer Bundesreform.
angesichts dieser sich mit größter Schnelligkeit folgenden Schritte erschrak die Regierung doch ernstlich; die Professoren wurden aufgeboten, um die Ueberreichung der Studenten- Adresse zu verhindern, sie erreichten aber gar nichts, als das Zugeständniß der jungen Leute, ihre Adresse nicht persönlich in die Hofburg bringen zu wollen, sondern dies Geschäft zwei einflußreichen Lehrern, den Professoren
Hye
und
Endlicher
zu überlassen. Diese beiden wurden dann auch von dem Kaiser empfangen, und mit freundlichen aber leeren Worten abgespeist; als am Morgen des 13. März die in dichten Schaaren harrende studentische Jugend dies als Antwort erhielt, steigerte es nur die Aufregung, anstatt sie zu dämpfen. Bald gruppirte sich, ohne besonderes Zuthun die ganze Action um die
Aula
und um die Studentenschaft; auf und nieder wogte es in den Straßen, die Stände traten zusammen, und Rufe
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