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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
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die durchaus Preußens Ehre von der deutschen Ehre abtrennten. Namentlich war es Fürst Lichnowsky, der behauptete, Preußens Ehre sei verpfändet, es dürfe von dem Vertrag nicht zurücktreten; ihn unterstützte in wortverdrehender Weise der Reichsminister Heckscher, so daß die herausfordernde Art der beiden Männer die Gereiztheit des Galleriepublikums ganz besonders gegen sie wach rief, die kurz darnach der Eine so furchtbar verbüßen mußte, während der Andere kaum einem ähnlichen Schicksal entging. Ihren Argumenten gegenüber rief jetzt
von Herrmann
ein schönes Wort der Wahrheit in die Versammlung: »Gerade in der
Nichtratification
liegt eine Ehrenrettung Preußens!« und weiter: »So lange wir wegen dieser Kleinigkeit des Waffenstillstandes, der Himmel weiß was fürchten, sind wir wenig geachtet. Dänemarks Nationalgefühl hat den Krieg fortgeführt, den es anfing, um ein Unrecht zu vertheidigen: nehmen Sie an diesem kleinen Volke ein Beispiel! Gehen Sie einen festen Gang, damit nicht endlich ganz Europa ruft: »Ihr Deutschen seid ein Kinderspott!« –
    Heftiger sprach Karl Vogt, dabei unklugerweise ein Wort gebrauchend, bei dessen bloßer Nennung die Furchtsamen in und außerhalb der Paulskirche eine Gänsehaut überrieselte: »Frankreich«, rief er aus, »war einst von Innen und Außen bedrängt, es war zerspalten von Partheien, es hatte eine Vendée und einen legitimistischen Süden; die feindlichen Heere griffen alle Gränzen zugleich an. Die französische Nationalversammlung berief sich auf die Volkskraft, man schuf Heere und Schiffe, man schlug die Feinde! Aber das war auch der
Convent
, der so Großes konnte, und nur ein Convent kann es!« –
    Diese Hindeutung auf die äußerste Consequenz der französischen Revolution war nicht am Platze, sie gab den Gegnern erst recht die Waffen in die Hand; dazu kam, daß selbst jener Theil der schleswig-holsteinischen Abgeordneten, die zu der Parthei Gagern gehörten, sich für den Waffenstillstand aussprachen, und als dann endlich noch von vermittelnden Rednern hervorgehoben wurde, Dänemark sei bereit, billigere Bedingungen zu stellen und den Grafen Moltke fallen zu lassen, wurde der Vertrag bei der endlichen Abstimmung mit 257 gegen 236 Stimmen
angenommen
. Eine so kleine Majorität entschied über den Bankerott der einheitlichen und freiheitlichen Bestrebungen des Jahres 1848.
    Schon am nächsten Tage vernahm man die Erklärung, Dänemark denke gar nicht daran, die von der Centralgewalt gewünschten Modificationen eintreten zu lassen, und ganz unbeschreiblich war der Schmerz, war der bittre Hohn, der sich jetzt überall offenbarte, als solche Kunde sich von Frankfurt aus weiter verbreitete. Die Reichszeitung brachte das Resultat der Abstimmung in einem beißenden Reim:
     
    »75 Bureaukraten,
    Schöne Worte, und keine Thaten!
    75 Aristokraten,
    Vaterland, du bist verrathen!
    150 Professoren,
    Vaterland, du bist verloren!«
     
    Verloren war es wirklich in diesem Augenblick, und der erbitterte Volksgeist machte sich Luft durch den unglücklichen Aufstand, der am 18. September in Frankfurt ausbrach. Man hat vielfach behauptet, daß die Linke des Parlaments denselben hervorgerufen habe, um damit den Weg der Revolution auf's Neue zu betreten, doch ist dies durch nichts bewiesen. Die verschiedenen Fractionen derselben hatten sich allerdings zu einem Protest gegen das Geschehene vereinigt, und beschlossen, den Antrag zu stellen, durch
Neuwahlen
zu prüfen, ob das Parlament noch das Vertrauen des Volkes besitze, aber die Volksaufregung hatte sich von den Gallerien aus in die öffentlichen Locale und auf die Straße verpflanzt. Am Abend des 16. wuchs der Tumult, und der Reichsminister
Heckscher
rettete sich nur mit Mühe vor der Volkswuth nach Soden; er wurde auch dort erkannt, bedroht und am Ende durch die Dazwischenkunft eines Mainzer Demokraten, der ihn nach Mainz brachte, gerettet.
    Die steigende Unruhe zu beschwichtigen, wurde von den Volksmännern für den nächsten Tag, den 17., eine Volksversammlung auf der Pfingstweide beschlossen. Es waren da 4–5000 Leute versammelt, zu denen
Wesendonk, Simon, Schlöffel
und Andere sprachen, die Excesse tadelnd und zur Ruhe ermahnend. Nur
Zitz
ließ sich bei seiner Rede zu dem Schlußsatze hinreißen: mit Adressen sei es jetzt nichts mehr, die würden nebenhin gelegt und man lache darüber, jetzt müsse man
Fractur
sprechen!
    Dies war wieder ein Wort, welches zu allen möglichen Deutungen Anlaß gab und als aufreizend

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