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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
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müssen, daß den preußischen Staatsmännern nun nichts dringlicher und nothwendiger erschien, als den Konstitutionalismus so schnell als möglich einzuführen, mit der Hoffnung auf dessen Grundlagen ein neues Pfand der Sicherheit zu gewinnen. Dennoch war es ein großer politischer Fehler, wie wir schon gesehen, daß die Minister nun auf den 22. Mai, fast gleichzeitig mit der Eröffnung des Frankfurter Parlaments, eine preußische Nationalversammlung nach Berlin einberiefen. Man trennte sich dergestalt in einem Augenblicke wieder in ein partikularistisches Lager ab, da Preußens Vermischung mit Deutschland, und zugleich dessen Suprematie, durch die Frankfurter Versammlung hätte herbeigeführt werden können. Legte man es nun einerseits dadurch klar an den Tag, daß man an ein solches Aufgehen gar nicht dachte, so ergab sich andrerseits als weitere Folge bald der Umstand, daß Preußen gar nicht einmal eine so große Anzahl von politischen und parlamentarischen Talenten aufzuweisen hatte, um Frankfurt und Berlin zu gleicher Zeit damit zu versorgen. Man mußte bei den Wahlen für Preußen nehmen, was noch da war und so fielen im Ganzen diese Wahlen ziemlich radikal aus, wenigstens radikaler, als es sich mit einem Könige vertrug, welchem das konstitutionelle Leben noch ganz ebenso verhaßt war, wie ehedem. Daraus erwuchs den Ministern die ungeheure Aufgabe, dem Konstitutionalismus nach Oben hin mühsam Bahn brechen zu müssen, während er nach Unten hin eben so schwer Wurzel schlug. Seine Repräsentanten, zum Theil durch den demokratischen Pöbel Berlins beherrscht, verharrten oft in solch schroffer Haltung, daß ein friedliches Vereinigen und Sichineinanderschicken dieser widerstrebenden Elemente nachgerade hoffnungs- und aussichtslos wurde.
    Immerhin lagen in Preußen die Verhältnisse noch ungleich günstiger, als in Oestreich; das einzige außerdeutsche Element des erstgenannten Staates war die polnische Provinz
Posen
, und verlangte diese auch gerade jetzt innigst darnach, mit dem großen
Slaven
reiche, von dem damals alle Slaven und vornehmlich die Polen träumten, vereinigt zu werden, so hielt das deutsche, dort zahlreich vertretene Element, doch dem polnischen genügend die Wage, und die Abfallgelüste der Provinz konnten wohl die Unzufriedenheit und Aufregung in Preußen vermehren, den Staat aber in keiner Weise in seiner Existenz bedrohen. Anders verhielt es sich mit Oestreich, wo das Band, welches bis dahin die verschiedenen Provinzen und Nationalitäten zusammengehalten, die sogenannte pragmatische Sanction, nur durch die
Furcht
vor den Strafen des Absolutismus Festigkeit gewonnen hatte. Im jetzigen Augenblick, da die Schranken der äußeren Gewalt zusammenstürzten, suchte jede einzelne Provinz, unbekümmert um das Ganze, so schnell wie möglich ihr Ziel einer längst ersehnten Selbstständigkeit zu erreichen, wobei das, ohne Zweifel bis zu einem gewissen Grade berechtigte,
Nationalitätsgefühl
auf eine höchst gefährliche Spitze getrieben wurde. Dazu gesellte sich der Umstand, daß der Wein der jungen Freiheit fast nirgends so brausend und so schrankenlos überschäumte, als in Wien; das so lange leichtsinnig in seiner Knechtschaft dahin lebende Volk konnte jetzt den Weg zur gesetzlichen Ruhe und Ordnung nicht zurückfinden. Es spielte mit der Revolution und der Anarchie, wie ein Kind mit dem Feuer, ohne politischen Sinn und Verstand, nur von dem erklärlichen und auch nicht unrichtigen Instincte getrieben, daß man es von Oben her, trotz aller Betheuerungen doch nicht redlich mit ihm meine und daß es daher eifersüchtig über die neuerrungenen Freiheiten wachen müsse. Aus der Nationalgarde erwuchs ein politischer Klubb, der sogenannte
Central-Verein
, dessen Tendenz es war, eine demokratische Entwicklung der Verfassung herbeizuführen, und seine materielle Stütze fand er wieder in der
Aula
, wo die vielgerühmte Studentenlegion, die Helden des Tages in sich schließend, eine Art von Feldlager organisirt hatte. Die Hörsäle waren in Waffenplätze verwandelt, die jungen Leute bildeten eine kriegerische Truppe, und ihr Anführer war der ehemalige Pater der Universität, eine höchst populäre Persönlichkeit, Dr.
Füster
, der mit ihnen verbundene
Central-Verein
dagegen, stand hauptsächlich unter der Leitung der Doctoren
Fischhoff
und
Goldmark
. Auch die so lange gefesselte Presse rächte sich jetzt für die frühere Unbill durch eine gewisse Derbheit und Zügellosigkeit, welche den Massen gefiel,

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