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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
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Zieles hoffend, obgleich auch in ihren Reihen Zwiespalt ausgebrochen war;
Gervinus
und
Häusser
verließen die Parthei und sagten sich von ihr los, weil sie erstens an der Frankfurter Verfassung festhielten, und zweitens, gewiß nicht mit Unrecht, das Haupthinderniß einer Vereinigung in der Person des Königs Friedrich Wilhelm sahen. Die meisten Uebrigen bewährten ihren Ruf der Halt- und Entschlußlosen in so hohem Grade, daß die Bezeichnung
Gothaer
von da an als Typus für solche stets nachgiebige, farblose Politiker bestehen blieb. Sie waren jetzt, weil es nicht anders anging, auch mit einem kleineren Deutschland zufrieden, und zollten Preußen Beifall, als es einen
Verwaltungsrath
für die bundesstaatlichen Interessen jener Bruchtheile in's Leben rief, die sich ihm bis dahin angeschlossen hatten. Man hoffte, daß diese
Union
, wie man die Fehlgeburt des Dreikönigbundes nannte, einen Kernpunkt bilden werde für die noch übrigen deutschen Staaten, die, ihre Isolirung nicht ertragen könnend, doch noch herankommen müßten. Der neue
Verwaltungsrath
und ein ihm beigegebenes
Bundesgericht
nahmen einstweilen ihren Sitz in Erfurt ein, aber mit der Einberufung des Reichstages, welcher die neue Verfassung berathen sollte, zögerte und zögerte man, denn die reactionäre Parthei in Berlin sah dazu ganz eben so scheel, wie Preußens auswärtige Feinde. Endlich überwand man sich doch, nach einem von Preußen erlassenen Wahlgesetze die Wahlen für das reichstägliche Volkshaus auszuschreiben und dieses neue Parlament auf den 31. Januar 1850 nach Erfurt einzuberufen. Das war der rechte Moment für Oestreich, um ernstlich gegen jede Einigung, war sie auch noch so legitimer Art, zu protestiren, und es gelang seinen Staatsmännern, Preußen derart zu demüthigen, daß dieses am 30. September 1849 das berüchtigte »Interim« unterzeichnete, dem zu Folge die bestehende Centralgewalt, bis zum Mai 1850 interimistisch auf Preußen
und
Oestreich übergehen sollte, wofür von beiden Seiten Commissäre ernannt wurden, worauf Preußen seinen
Radowitz
und Fr. Bötticher, Oestreich den gewandten General
Schönhals
und den Baron Kübeck nach Frankfurt schickte. In die Hände dieser Herren legte nun Erzherzog Johann, am 20. December 1849, sein Amt eines deutschen Reichsverwesers nieder und kehrte er nach Oestreich zurück, stiller, als er gekommen.
    Mit diesem Interim hatte Oestreich jetzt was es wollte, »Zeit« gewonnen und nachdem es dasselbe – von einem Aehnlichen sagte einst Luther: der Teufel steckt hinter ihm – zu Stande gebracht, gab es die Erklärung ab, daß, wenn auch der Bundestag nicht mehr bestehe, doch die
Bundesverfassung
noch existire und auf diesen Streich folgte dann unmitelbar eine drohende
Protestation
gegen den
Erfurter
Reichstag, der sich mit der Bundesverfassung nicht vertrage. –
    Trotzdem hielt die Union noch an ihren Beschlüssen fest, worauf als zweite Maßregel gegen dieselbe nun
Bayern, Würtemberg
und
Sachsen
ihrerseits in München ein Bündniß gegen Preußen abschlossen, was jenen Staat bewog seine Gesandten von deren Höfen abzurufen. Während diesen Wirren und Zänkereien gingen doch die Wahlen zum Erfurter Reichstage vor sich und Preußen gab jetzt auch den redlichen Willen zu erkennen, auf dem constitutionellem Wege zu verharren; am 6. Februar 1850 beschwuren Friedrich Wilhelm und die beiden Kammern die am 5. December 1848 octroyirte und seitdem noch einmal revidirte Verfassung, und so wenig liberal dieselbe auch war, – es bekamen zum Beispiel die Kammern nur ein Veto gegen das
Auflegen
neuer Steuern, kein Bestimmungsrecht darüber – ersah man doch daraus, daß Preußen ein verfassungsmäßiger Staat bleiben wollte, was er denn auch wirklich geblieben ist.
    Dies gab den »Gothaern« neue Hoffnungen für den bevorstehenden Reichstag, der endlich am 20. März 1850 in Erfurt eröffnet wurde, und in welchem die Kaiserparthei sich in ihren hervorragendsten Mitgliedern: Waitz, Gagern, Dahlmann, Beseler u.s.w. vertreten zeigte. Dieses Parlament der
Union
wurde durch eine Rede von Radowitz eröffnet, die glänzende Aussichten verhieß, aber bei näherer Untersuchung doch wenig Greifbares enthielt. Der Schwerpunkt derselben lag in der Versicherung daß Preußen das Streben nach der Einheit Deutschlands vollkommen anerkenne und darum nach besten Kräften fördern wolle. »Einmal erweckt,« sagte er, »ist der Geist nicht mehr zu bannen; er kann zeitweise schlummern, zumal wenn er sich eben im wilden

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