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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
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wieder Alles zu Ende sei; so schiffte er er sich am 30. August in Havre ein zweites Mal ein, um drüben über dem Ocean als einfacher Farmer zu leben. Ihm folgten Tausende über das Meer, sich auf dem freien Boden Amerika's eine neue Heimath zu gründen, und diese trugen nicht am Wenigsten dazu bei, den deutschen Namen und Einfluß dort zu Ehre und zur Geltung zu bringen, weil sie vornehmlich den gebildeten Ständen angehörten. Heute noch bezeichnet man in den Vereinigten Staaten jene Orte, wo sich die größte Bildung unter den Deutschen vorfindet und sie am einflußreichsten sind, als die Stätten der
Achtundvierziger
. Ehe Hecker Europa verließ, schrieb er noch einem Freunde die folgenden Worte: »Mit wahrer Sehnsucht schaue ich hinüber nach dem fernen Westen und meiner Waldeinsamkeit, ekelerfüllt und bitter enttäuscht, seitdem ich die Erde des alterschwachgewordenen Europa unter meinen Füßen fühle.« Nachdem er die Führer des badischen Aufstandes scharf getadelt, fährt er fort: »Ehe nicht dieses Geschlecht vergangen ist, wird ein vernünftiger, haltbarer Staat nicht erstehen und kein genialer, kräftiger, edler Mann das Steuer führen, weil, sobald ein solcher auftaucht, gleich eine ganze Meute jede seiner Thaten wie seinen redlichen Willen verdächtigt und so Mißtrauen säet, wo Vertrauen der Energie Dauer und Stärkung verleihen soll!«
    In der That – ein neues Geschlecht sollte erst heranwachsen, ehe der deutschen Nation ihr Recht wurde, und bezeichnete ich früher die Märztage als eine erste Zelle, die den Keim späterer Fortbildung in sich trug, so darf ich bei dem Bilde stehen bleiben und hinzufügen, aus der Zelle war nach diesen Stürmen ein Samenkorn geworden, das tiefversteckt die Verheißung einer neuen Entwicklung in sich trug. – Das was geschehen war, das was man erlebt hatte, konnte keine menschliche Macht mehr ungeschehen und vergessen machen. Es hatte eine Gesammtvertretung der Nation miteinander getagt, die sich bis dahin völlig fremden Theile hatten gemeinschaftlich, gemeinsame Interessen berathen, sie hatten die Forderungen des Jahrhunderts an den modernen deutschen Staat in den Grundrechten und der Reichsverfassung niedergelegt – diese
geistige That
blieb bestehen; unter den Trümmern des luftigen Baues, den der März wie ein Zauberschloß über Nacht erbaut, schlief jenes Samenkorn und reifte es einer besseren Zukunft entgegen. –
    Vergegenwärtigen wir uns nun noch einmal die unendlich schwierige Lage Deutschlands, wo zwei ungeheure Dinge zu gleicher Zeit erkämpft werden sollten. Was andere Nationen, was England und Frankreich schon seit Jahrhunderten errungen hatten, die Besiegung des mittelalterlichen Vasallenthums, die Einheit des Staates, dies hatten wir verspätet nachzuholen, im gleichzeitigen Kampfe gegen den Absolutismus, der gerade durch diese Combination seine Hauptstärke empfing. – Es gab für den einsichtigen Politiker, nach den gemachten Erfahrungen, jetzt nur noch zwei gerade Wege, um zum
einheitlichen
Ziele zu gelangen – entweder die Republik, welche die Throne, die sich glänzend aus dem Schiffbruch errettet hatten, schonungslos vor sich niederwarf, oder die Revolution von Oben her, wo der Stärkste sich entschloß, die zu Fürsten gewordenen Grafen und Barone des Mittelalters wieder auf eine Art von Vasallenthum zurückzuführen. Der erste Weg mißlang, der zweite wurde im Jahre 1866 mit Erfolg betreten, und mit jener Rücksichtslosigkeit durchgeführt, ohne die keine Umwälzung gelingt, und ein wunderbarer Zufall war es doch, daß dem alten Hecker, der sich mit den späteren Ereignissen in Deutschland im großen Ganzen ausgesöhnt hatte, und 1873 wieder zum erstenmal nach Europa schiffte, kurz vor der Einfahrt in Bremerhaven jene Schiffe begegneten, welche die Mitglieder des deutschen Reichstages nach dem neu geschaffnen Wilhelmshaven trugen, und daß ihm ein deutsches Reichsbanner, geschmückt mit dem Bilde eines neuen deutschen Kaisers, entgegenwehte. Dieser deutsche Kaiser aber sollte kein Anderer sein, als jener Prinz in Preußen, der die Revolution in Baden ohne Schonung niedergeworfen, der ihn und Tausende seiner Freunde in die Verbannung gejagt hatte. – So mächtig eben ist der Gang und das Walten der Ideen, wenn sie erst einmal im Bewußtsein der Lebenden aufgegangen sind, daß sie selbst den Einzelnen mit sich fortreißen auf Höhen und zu Thaten, die vorher ihm und seinen Zeitgenossen als ganz unmöglich erschienen sein mochten; darum

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