Deutsche Geschichte Von 1815-1870
Hinblick auf die Schonungslosigkeit, mit welcher der preußische Minister im eignen Lande den Konstitutionalismus behandelte.
Oestreich dagegen sah mit seiner Unterstützung des Augustenburgers gar unschuldig aus; wer konnte auch im großen Publikum ahnen, daß es sich, worüber man in Berlin nicht ganz unkundig war, auch im geheimen Einverständniß mit Frankreich befand, und für den Fall einer preußischen Niederlage schon die Verabredung getroffen hatte, gegen Schlesien, Venetien an Frankreich abzutreten.
Man ersieht aus diesem einen Beispiele, daß
alle Theile
den Krieg wollten, wenn auch das erfolglose Schauspiel einer Friedensconferenz der europäischen Mächte erst noch zuvor in Scene gesetzt wurde, und obgleich die öffentliche Meinung immer erbitterter den Grafen Bismarck als denjenigen betrachtete, der den offnen Kampf mit allen Mitteln herbeizuführen suche. Seinen stärksten Ausdruck fand dieser Widerwille in einem Attentat, das sich gegen die Person des verhaßten Ministers richtete. Am 7. Mai 1866 machte ein junger Mann,
Julius Cohen
, ein Stiefsohn des republikanischen Flüchtlings
Karl Blind
, der in England lebte, den Versuch ihn am hellen Tage unter den Linden durch verschiedne Revolverschüsse zu tödten. Die zwei ersten Schüsse gingen fehl, der dritte streifte den Grafen, welcher den Thäter am Handgelenk faßte, an der Hand, noch zwei weitere Schüsse entluden sich wirkungslos. Der Thäter, ein talentvoller, feuriger aber überspannter Kopf wurde gefangen genommen, aber es gelang ihm, sich während der Nacht mit einem Federmesser, das er in seinem Taschentuch verborgen hielt, so tödtliche Verwundungen beizubringen, daß er am folgenden Morgen starb. Der Arme ahnte nicht, daß sein Feind nichts Geringeres wollte, als er selbst, der in einem Abschiedsbriefe an seinen Vater als Motiv seiner That das Beispiel Orsini's anführte; so wie Jener durch seine That Italien befreit, so hoffte er durch sein Opfer die Befreiung Deutschland's herbeizuführen. Wäre er am Leben geblieben, so hätte ihn schon die nächste Zukunft davon überzeugt, wie falsch er geurtheilt, denn Bismarck sowohl wie der König fühlten sich durch des Ersteren wunderbare Errettung nun doppelt in ihren Plänen bestärkt. –
Doch war es Oestreich, welches dann den ersten Schritt zur Kriegserklärung that; gestützt auf vorherige Abmachungen mit den deutschen Mittelstaaten und mit Napoleon, stellte sein Gesandter am 11. Juni bei der Bundesversammlung den Antrag auf Mobilisirung des gesammten Bundescontingentes mit Ausnahme von Preußen; als Zweck dieser Rüstung galt das Vorhaben, diese Macht aus Holstein zu vertreiben. Der Antrag stand im Widerspruch mit der Bundesverfassung, die nur eine Bundesexecution gestattete, und folglich mußte er, wenn angenommen, zum Kriegsfall werden. Dies geschah, trotz Preußen's Protestation, mit 9 gegen 6 Stimmen; gegen denselben hatten nur Baden, Luxemburg, Mecklenburg, Anhalt, Schwarzburg, Oldenburg und die freien Städte, mit Ausnahme von Frankfurt, gestimmt. Alle Uebrigen waren dafür, und am Tage der Abstimmung wurde bereits in
Olmütz
, durch Vermittlung des General v. d. Tann, eine geheime Militärconvention zwischen Oestreich und Bayern verabredet, der zu Folge sich die bayerische Armee mit den Contingenten von Würtemberg, Baden, Hessen und Nassau verbinden, und ein besonderes Armeecorps unter dem unabhängigen Oberbefehl des Prinzen Karl von Bayern, zur Unterstützung Oestreich's bilden sollte.
Durch den Bundesbeschluß war Preußen offen der Krieg erklärt, und es zögerte nicht, den Fehdehandschuh aufzunehmen; am 14. Juni erklärte es seinen Austritt aus dem Bunde, seinem Beispiele folgten viele Kleinstaaten, und so sah sich der hohe Bundestag jetzt nicht wie 1848 nur bei Seite geschoben, um wieder aufzuerstehen, sondern factisch zersprengt. Der Rest zog sich, als der Krieg in Süddeutschland ausbrach, nach Augsburg zurück, wo er am 24. August an Entkräftung starb, das heißt, sich geräuschlos auflöste. Preußen richtete nun an jene Staaten, welche ihm zunächst lagen, an Sachsen, Hannover und Kurhessen, die Aufforderung, abzurüsten und mit ihm vereint ein deutsches Parlament zu berufen, dafür sollte ihnen ihr Gebiet und ihre Souveränität soweit garantirt werden, als es die neue Bundesreform zulassen werde. Man war jedoch an den drei Höfen unklug genug, dieses Verlangen abzulehnen, worauf mit Blitzesschnelligkeit Hannover, wie auch das Kurfürstenthum durch die Preußen
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