Deutsche Geschichte Von 1815-1870
der Herzog Ernst von Koburg reichte ihm die Bruderhand und lud den Augustenburger zu sich nach Gotha, bis ihm die Ereignisse die Uebersiedelung nach Kiel gestatten würden.
Bald aber konnte man wahrnehmen, daß Oestreich und Preußen in dieser Sache wieder ihre eignen, und getrennten Wege gingen, wenn sie auch äußerlich verbunden zu sein schienen. Trotz seiner Rechte erkannten sie den Augustenburger durchaus nicht an; Oestreich berechnete, daß jener kleine Fürst im Norden nothwendigerweise ein preußischer Vasall werden müsse und Preußen Gelegenheit geben werde sich eine Macht zur See zu schaffen. Genau aus demselben Grunde wollten Bismarck und sein König die Herzogthümer für sich behalten, und überdem paßte es nicht zu den Plänen, die sie schon still verborgen in der Brust trugen, zu den sechs und dreißig Souveränen, die Deutschland bereits besaß, noch einen sieben und dreißigsten zu schaffen; derselbe Umstand war es aber auch, der die deutsche Demokratie bei den Ansprüchen des neuen Herzogs und den Bemühungen des Nationalvereins sehr kalt ließ. Trotzdem sah Deutschland mit Freude und Genugthuung, wie eifrig sich jetzt die beiden Großmächte für den gekränkten Bruderstamm bemühten und wie sie scheinbar eine nationale Politik zu verfolgen begannen.
So brachte das Jahr 1864 einen abermaligen Krieg mit Dänemark, der nun von beiden Theilen mit ernstlicher Theilnahme geführt wurde, und der, während die Oestreicher sich als erprobte Soldaten bewiesen, von Seiten der Preußen durch glänzende Waffenthaten verherrlicht wurde, die alle Welt in Erstaunen setzten und an die Zeiten Friedrich's des Großen um so mehr erinnerten, als ein Neffe des Königs, Prinz Friedrich Karl, einer der tapfersten Führer war. Zugleich mit ihm begann der Name
Moltke
aus dem Dunkel hervorzutreten, um fortan in immer hellerem Glanze zu strahlen. Den Oberbefehl führte der alte Wrangel, der in raschem Anlaufe die Herzogthümer nahm, mit seinen Preußen die
Düppler Schanzen
erstürmte und sie den kühnen Uebergang nach der Insel
Alsen
ausführen ließ. Die Dänen waren auf das Haupt geschlagen, sie baten um Frieden, und erhielten ihn diesesmal, um den Preis von Schleswig, Holstein und Lauenburg, durch den am 30. October 1864 abgeschlossenen
Frieden von Wien
. Nur im Norden Schleswig's sollte eine Demarcationslinie gezogen werden, welche den dänisch redenden Theil der Bevölkerung abtrennte. Mit seltner Einmüthigkeit hatten die Verbündeten den Frieden abgeschlossen und mit derselben Uebereinstimmung schoben sie jetzt den Bundestag, wie den Augustenburger zur Seite, und alles Drängen des Nationalvereins wie der liberalen Partheien in den Kammern, dem Herzog Friedrich nun sein Erbe zu übergeben, wurden mit taubem Ohre angehört.
Gewehr bei'm Fuß, blieben Oestreicher und Preußen in den Herzogthümern stehen, bis es endlich, nach zahllosen Verhandlungen zwischen Beiden über das Object, das sie erstritten, zum Kampfe kam; Preußen wollte die Herzogthümer um jeden Preis behalten, Oestreich dies um keinen Preis erlauben und so wurde eine friedliche Lösung der Verhältnisse zur Unmöglichkeit. Für Preußen war der Augenblick gekommen und konnte günstiger kaum wiederkehren, um Oestreich anzugreifen, denn während ein Theil der östreichischen Armee im Norden stand, sah man sich in Wien in neue Konflicte mit seinen Kronländern verwickelt. Das Beispiel Ungarn's, das sich hartnäckig weigerte, den gemeinschaftlichen Reichstag zu beschicken, entfachte den neuen Widerstand Slavonien's und Kroatien's gegen die erzwungene Einheit des Kaiserstaats, die nun abermals in Frage gestellt werden konnte.
Auch das übrige Deutschland war bis in's Innerste unzufrieden und aufgeregt; man warf Preußen vor, daß es in den Herzogthümern nicht nationale, sondern nur eigensüchtige Zwecke verfolge, daneben traten die Ohnmacht des Bundestages und Oestreich's Quertreibereien klarer als jemals an den Tag. Man war der Volksversammlungen, der Reden und Toaste, der Turn-, Gesang- und Schützenfeste, des National- wie des Reformvereins herzlich überdrüssig, und sehnte sich nach
Thaten
, die endlich aus dem provisorischen Zustande herausführten, in dem sich Alles befand.
Am unerquicklichsten stand es in Preußen, wo um 1865 der neu eröffnete Landtag den alten Kampf wegen des parlamentarischen Budgetrechts wieder aufnahm, und sich zwar jetzt, nach dem Kriege mit Dänemark, geneigt zeigte, die für das Militär verausgabten Summen
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