Deutsche Geschichte Von 1815-1870
hatten, so schnell nicht abzuschütteln vermochte, und
der Adel
, der, obgleich in seinen Interessen selber schwer gekränkt, und trotzdem er in den Jahren der Befreiungskriege ohne Standesvorurtheil neben dem Bürgerlichen gekämpft hatte, sich doch nun eifrig bemüht zeigte, seine alten Traditionen wieder aufzurichten und anstatt neben und mit dem Bürger weiter zu streiten für bürgerliche Freiheit, es vorzog, sich wiederum um den Fuß der Throne zu reihen, Diener zu sein, anstatt Freiherr und, mit nur geringen Ausnahmen, Alles zu unterstützen, was gegen das Volk unternommen wurde. – So geschah es denn, daß bereits während des Wiener Congresses, 1815, ein gewisser Hofrath Janke, ein ganz schlechtes Subject, sich bemühte
Arndt
und
Görres
wegen ihres »
wilden Freiheitsgeschreies
,« bei Fürst Hardenberg anzuschwärzen. Zugleich zeigte dieser Janke den Fortbestand eines geheimen Bundes an, der sich in der That als eine Weiterbildung des 1809 verbotenen
Tugendbundes
gebildet, aber 1813 schon wieder aufgelöst hatte. Janke wurde anfangs nicht angehört; größeres Vertrauen schenkte man jedoch dem Geheimenrath
Schmalz
, (einem wenig würdigen Schwager des edlen
Scharnhorst
), der gleichfalls behauptete, es bestünden geheime Verbindungen in Deutschland, zum Zweck, die Eide gegen die Fürsten vergessen zu machen und ein
Repräsentativsystem
über ganz Deutschland auszubreiten. – »Wie vormals die
Jacobiner
die
Menschheit
,« so heißt es wörtlich in seiner Schrift, »so spiegeln sie die
Deutschheit
vor, um uns die Eide vergessen zu machen, wodurch wir Jeder seinem Fürsten verwandt sind. Diese Menschen wollen durch bittren, gegenseitigen Haß Einheit der Regierung gründen, durch
Mord, Plünderung
u.s.w., alte deutsche Redlichkeit und Zucht vermehren!« Dabei entblödete Schmalz sich nicht, die Erhebung von 1813 als eine Frucht schuldigen Gehorsams hinzustellen und zu sagen, es habe das preußische Volk nur wie ein Koppel losgelassener Jagdhunde gehandelt. – Was aber die Sache hauptsächlich zu einer Denunciation stempelte, war der Umstand, daß
Schmalz
sein Machwerk noch an verschiedene andere Regierungen verschickte. Natürlich fehlte es demselben auch nicht an einem Lobredner, der sich in der Person des Geheimenrath
Kamptz
, dem Verfasser eines
Gensd'armeriecodex
, fand, und Preußens König ließ sich so weit hinreißen, daß er, ohne seinen Minister Hardenberg zu befragen, Schmalz den rothen Adlerorden verlieh. Eine ungeheuere Entrüstung machte sich über diese Vorgänge geltend; Blücher und Gneisenau sprachen sich sehr unumwunden über dieses Verfahren aus, und Männer, wie
Niebuhr, Schleiermacher, Förster
u. A. schrieben besondere Gegenschriften gegen Schmalz. Sein Name wurde ein Schimpfname und der jugendliche
Follen
besang ihn, die Turner anredend, folgendermaßen: »Nun auf ihr Burschen frei und schnell, Ihr Brüder Du und Du! Noch bellt der
Kamptz
– und
Schmalzgesell
, der
Beel
– und
Kotzebue
!« In der That haben diese Namen in der deutschen Geschichte eine höchst traurige Berühmtheit gewonnen und sind die typische Bezeichnung geworden für undeutsche und unpatriotische Männer, die durch ähnliche Polizeibestrebungen glänzten. Doppelt aber war es zu beklagen, daß es gerade bei diesem ersten directen Angriff Deutschland an jedem größeren Vereinigungspunkte fehlte, durch dessen Vermittelung die öffentliche Meinung sich hätte geltend machen und aussprechen können. Noch gab es keine öffentliche Ständeversammlung, keine geschlossene, sich ihrer Zwecke und Ziele klar bewußte Parthei. Da war es denn natürlich, daß nach und nach die
Universitäten
die Brennpunkte des öffentlichen Lebens werden mußten und freisinnige Professoren Hand in Hand mit ihren begeisterten Schülern, das politische Leben wach zu erhalten suchten. Als ersten Sammelpunkt dieser Art müssen wir die Universität
Jena
bezeichnen. Dort in dem kleinen Weimaraner Lande war ja ein Fürst, der, kraft seiner geistigen Bildung und Reife auf einem zu hohen menschlichen Standpunkte stand, um vor dem Rauschen eines Blattes zu erzittern. Es war
Karl August
, der Freund Goethe's und Schiller's, der Mäcen der deutschen Poesie und Kunst, ein Kopf von seltener Klarheit und Urtheilskraft, der mit idealem Schwunge einen gesunden, praktischen Realismus und ein deutsch-patriotisches Herz verband. Er hatte immer redlich zu Preußen gestanden, war nur mit größtem Widerstreben dem Rheinbunde beigetreten, und hatte in seinem
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