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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
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geistiger Arbeit festzustellen. –
    Der 14. Artikel
berührte die Verhältnisse der schon von Napoleon mediatisirten Fürsten und Grafen; sie wurden zu ihrer großen Unzufriedenheit so ziemlich mit Worten abgespeist. Es blieb ihnen die Ehre in ihrem jeweiligen Staate die ersten Standesherren zu sein, auf ihren eignen Gütern behielten sie alle
feudalen
Vorrechte, aus dem natürlichen Grunde, weil noch keine Bestimmung über das
Grundrecht
des Volkes festgestellt war, auch das Recht der
Ebenbürtigkeit
sollte ihnen ungeschmälert verbleiben, wodurch denn die Kluft, welche ohnehin schon seit dem 17. Jahrhundert Adel und Bürgerthum in Deutschland so feindlich von einander schied, verewigt und noch weiter ausgedehnt wurde.
    Der
Artikel
16 endlich bestätigt die
christlichen
Religionspartheien in dem gleichen Genuß bürgerlicher, sowie politischer Rechte, und damit blieb denn auch der
Jude
, der jetzt auf seine Emancipation gehofft, nach wie vor ein Paria, ausgeschlossen von der bürgerlichen und nationalen Gemeinschaft, in der er nun doch schon seit Jahrhunderten gelebt hatte. –
    Die Renten zur Erhaltung der hohen Bundesversammlung sollte der
Rheinzoll
liefern. Die Post verblieb dem Hause Thurn und Taxis, nach den Bestimmungen des westphälischen Friedens, doch erinnere ich hier daran, wie die preußischen Lande darin nicht einbegriffen waren, sondern ihre besondere Post besaßen, die seinerzeit der große Kurfürst für seine Provinzen eingerichtet hatte. –
    Damit wäre denn der Inhalt der Bundesacte, die, wie ein Alp 50 volle Jahre auf Deutschland lasten sollte, jede freiheitliche und einheitliche Einwirkung hemmte und hemmen mußte, so ziemlich erschöpft. Ich mußte Ihnen an dieser Stelle die
Hauptpunkte
derselben genauer vorführen, denn sie bilden zugleich die Schwerpunkte um die sich seitdem der Hauptinhalt unserer ganzen späteren Geschichte dreht. –
    Ein langer Friede, der sich nun einestheils in Folge der eingetretenen Erschöpfung, anderntheils Dank des ernstlichen Willens der Machthaber, in Europa feststellte, bedingte von jetzt an eine innere Geschichte, eine innere Entwicklung, der man nur dann mit Interesse folgen kann, wenn man die Grundlage der Verhältnisse genau kennt. Dieselben waren leider nicht erfreulich und der treffliche Stein durfte darüber in die laute Klage ausbrechen: »Unsere neuen Gesetzgeber haben an die Stelle des
deutschen Reiches
mit
einem Haupte, gesetzgebender Versammlung, Gerichtshöfen
, einer
inneren Einrichtung, die ein Ganzes bildet
, – einen
deutschen Bund
gesetzt,
ohne Haupt
,
ohne Gerichtshöfe
, nur schwach verbunden für die
gemeinsame Vertheidigung
. Die Rechte der
Einzelnen
sind durch nichts gesichert, als durch die unbestimmte Erklärung, daß es Landstände geben solle, und durch eine Reihe von Grundsätzen über die Rechte jedes Deutschen, worunter man die Habeas corpus (Schutz der Person und des Eigenthums) die Abschaffung der
Leibeigenschaft
ausgelassen hat und welche durch keine schützende Einrichtung verbürgt werden!« – In der That, es war hier ein gordischer Knoten geschlungen, den nur eine Revolution beseitigen, oder ein entschlossener Mann wie einst Alexander der Große, mit dem Schwerte durchhauen konnte! –
    Aber auch kältere Politiker und Diplomatiker als Stein gaben schon damals offen ihre Mißbilligung zu erkennen; Graf
Münster
, der hannöversche Bevollmächtigte verwahrte sich durch eine förmliche, öffentliche Erklärung, worin er geradezu aussprach: »Indem wir eine Acte unterzeichnen, welche die Erwartung der deutschen Nation nur zum Theil befriedigen kann, weil sie viele wichtige Punkte, die wir beantragt, unerschöpft läßt, halten wir uns verpflichtet, eine kurze Erklärung zu geben, damit die Welt nicht meine, wir seien früheren Grundsätzen untreu geworden« u.s.w.
    Die Nation selbst nahm die Acte mit Hohn, Spott und Verachtung auf; vom ersten Tag an bis zum Letzten übte sich der deutsche Witz an dem Bundestage, neben den Flüchen, die ihn trafen. Dennoch darf man sich nicht verhehlen, um ganz objectiv zu urtheilen, daß die politische Unreife des Volkes, die Theilnahmlosigkeit, die sich im
Ganzen
, jetzt nach dem Friedensschlusse bemerkbar machte, doch bis zu einem gewissen Grade das Ungenügende der Sache erklärt und rechtfertigt.
    Auch in der Schweiz, wo keine dynastischen Interessen dem Volksinteresse gegenüberstanden, begegnen wir zur gleichen Zeit der Unfähigkeit, eine tüchtige Bundesgesetzgebung zu Stande zu

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