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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
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bringen. Wie die Schweiz sich uns heute darstellt, das ist sie auch erst viel später und erst nach schweren, inneren Kämpfen geworden.
    Was aber die Bundesacte so verderblich für Deutschland machte, wodurch sie eine so tragische Wirkung hinsichtlich seiner politischen Stellung nach außen hervorbrachte, war hauptsächlich der Umstand, daß sie jede Theilnahme des Volkes an ihrer Verbesserung ausschloß; sie blieb darum von Anfang bis zu Ende, was sie war, und – diese
Starrheit
war der schlimmste Zug ihres Wesens. –
    Ein sich
Rühren
und
Bewegen
konnte aber trotzdem in den
einzelnen Theilen
des zerrissenen Reiches nicht ausbleiben und wie so manchmal entsprang auch hier aus der Krankheit das Heilmittel; gerade die unnatürliche Zerspaltung hielt den steten Wunsch zur Vereinigung wach. – Handel, Verkehr, Gewerbe, Alles was jetzt unter dem Schutze des Friedens gedieh und wuchs, nöthigte zu Vereinigungen unter einander, und nicht minder fühlte man auch in den kleineren Staaten jetzt noch das Bedürfniß, den Wünschen des Volkes entgegen zu kommen, damit es der Regierung eine Stütze sein konnte; dazu gesellte sich dann noch das Bestreben einzelner wohlmeinender Fürsten und Minister, die redlich und ernstlich das Gute wollten.
    Auch in der Nation schlief nicht Alles – habe ich zwar oben angedeutet, daß nach dem Kampfe im
Großen
und
Ganzen
, die Ermattung und Theilnahmlosigkeit, die sich zeigte, nicht dem früheren Aufschwung entsprach, so galt dies doch keineswegs von Jedermann. Es gährte und kochte an vielen Stellen und Niemand fühlte sich so schmerzlich enttäuscht, als die
gebildete
deutsche
Jugend
.
    Hatten nicht seit Jahren die trefflichsten Männer durch Wort und Schrift in ihrem Herzen den Enthusiasmus für Vaterland und Freiheit entzündet, hatte man ihr nicht die Waffen in die Hand gedrückt, und war sie nicht todesmuthig hinausgeeilt, zu Sieg und Tod, unter den Klängen von Körner's und Schenkendorf's begeisterten Liedern, die jetzt noch in ihren Seelen widerhallten? Nicht minder hatten
Kleist's
Dichtungen die Erinnerungen wach gerufen an
Herrmann
den Befreier, an die Bräuche und Sitten der alten Teutonen, die ihr Recht und Gericht selber verwalteten. Damit fielen dann wieder die Bestrebungen der Romantiker zusammen, welche die mittelalterliche Poesie und Kunst neu zu beleben trachteten und sie aus dem Schutt der Jahrhunderte hellleuchtend hervortreten ließen. Da erwachte die längst versunkene Pracht und Herrlichkeit des alten Kaiserthums wieder zum Bewußtsein und man glaubte in dessen Wiederherstellung den Brennpunkt und das Ziel aller Wünsche gefunden zu haben. Nun sollte alle diese losgebundene Kraft und Phantasie über Nacht wieder zahm und ruhig werden, sollte wieder zu der gewohnten Beschäftigung greifen, ohne irgend eine Theilnahme an der Neugestaltung des Vaterlandes. Wie schwer es nun schon dem Einzelnen wird, sich nach aufgeregten Tagen wieder in das gewöhnliche Gleichmaß einzufügen, so ging es jetzt einem großen und nicht den schlechtesten Theil des deutschen Volkes, denn neben dieser Jugend stand eine Reihe tüchtiger, patriotisch gesinnter Männer, die mit ihr fühlten und zum Handeln bereit waren. Von diesen Allen verlangte man nun, sie sollten sich wieder zur trägen Ruhe legen, im nagenden Bewußtsein, daß sie statt Edelstein und Gold nur schlechtes Glas und Kupfer errungen hatten. Da mußte es ja wohl gähren und brausen, an allen Enden des Vaterlandes, aber sie, die die Macht in Händen hielten, besaßen leider nicht auch zugleich die
Einsicht
und das Wohlwollen, diese stürmische Gluth sich ruhig klären zu lassen, sie in die richtige Bahn zu leiten. – Nein, auch die edelsten Anstrengungen, die reinsten Absichten wurden jetzt schon verdächtigt und scheel angesehen. Nicht Alle hatte ja leider der Aufschwung von 1813 und 1814 mit fortgerissen, wie immer fehlte es auch damals nicht an Widerstrebenden, die sich nur durch den Strom den sie nicht hemmen konnten, hatte beeinflussen lassen, ganz wie wir es noch oft in ähnlicher Weise erlebt. Nun hoben diese Schwachen und Halben wieder das Haupt und suchten zu schmähen und zu verdächtigen und vermochten dies um so leichter, als aus der Mitte der Nation sich zwei Factoren erhoben die sich lau und engherzig einerseits, hochmüthig und gehässig andrerseits zeigten. Es waren dies das deutsche
Bürger
– und
Philisterthum
, der Beamtenstand, welcher den Druck, den ihm die Verhältnisse des 18. Jahrhunderts eingeimpft

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