Deutschland allein zu Haus
Stjuardess ihr Talent, sie sollte auftreten, am besten da, wo ich sie nie sehen kann!«, knurre ich.
Aber was kurz darauf unsere Stjuardess über die Lautsprecher sagt, verschlägt sogar meiner tapferen Frau die Sprache:
»Meine Damen und Herren, unser Abflug wird sich etwas verspäten. Wir erwarten neue Piloten. Unser Kapitän hat unerwartet starke Magenprobleme bekommen, und der Kopilot hat gestern auch etwas zu lange gefeiert!«
»Eminanim, ich wette, so was Witziges gibt es nicht mal in deinem Buch«, stottere ich mit flatterndem Herzen.
Aber mir ist es trotzdem viel lieber, dass die Piloten sich vor dem Flug besaufen und nicht währenddessen …
Wie gesagt, ich versuche immer das Positive zu sehen … auf der Rollbahn können wir ja noch nicht so tief abstürzen.
3 Wir stürzen auch während des Fluges nicht ab und kommen heil bei meinem Onkel Ömer im Dorf an.
Am nächsten Tag fährt meine Frau Eminanim mit meiner Tante Ülkü und meiner Tochter Zeynep in die Kreisstadt,um ein ›so hübsches Brautkleid, wie es Deutschland noch nie gesehen hat‹ zu kaufen, wie Zeynep schwärmt.
Denn meine Tochter will schon bald ihren Verlobten Luigi heiraten.
Ich bleibe mit meinem Onkel Ömer zusammen im Dorf und spiele Bäckgämmen. Ich habe von so was überhaupt keine Ahnung. Vom Brautkleid, meine ich. Ich weiß gerade noch, dass so ein Kleid weiß sein muss!
»Und das stimmt nicht mal«, sagt meine Frau spöttisch, »in manchen Fällen darf das Brautkleid durchaus auch eine andere Farbe haben. Wenn die Braut nicht mehr ganz so frisch ist und bereits zum zehnten Mal heiratet zum Beispiel.«
»Von Bäckgämmen hast du doch genauso wenig Ahnung«, lacht mein Onkel, obwohl ich ihn fünfmal hintereinander geschlagen habe.
»Ich habe dich nur gewinnen lassen, weil du Gast in unserem Dorf bist. Dafür werde ich dich in Deutschland fertigmachen«, ruft er weiter, und alle seine zahnlosen Freunde in dem einzigen Dorf-Café schütteln sich vor Lachen und verschütten dabei ihren Mokka auf ihre dicken Bäuche. Jetzt weiß ich, warum deren Hemden noch verdreckter sind als die Tischdecken hier im Männer-Café.
Außerdem freuen sie sich wie kleine Kinder, dass unser Dorf bald einen italienischen Schwiegersohn bekommt. Die anstehende Hochzeit Zeyneps mit Luigi hat sich wie ein Lauffeuer verbreitet. Alle sind so aus dem Häuschen, als hätte ihre Lieblingsmannschaft Galatasaray für Hunderte von Millionen den Torjäger der italienischen Nationalmannschaft gekauft. Erschwerend kommt hinzu, dass kein Mensch hier jemals einen leibhaftigen Italiener gesehen hat, besser gesagt, einen leibhaftigen Ausländer!
Keiner der Rucksacktouristen, die zu Tausenden ständig durch ganz Anatolien traben, hat sich jemals in unser Dorf verirrt. Ich bin sozusagen der einzige Deutsche, den sie kennen. Außer Franz Beckenbauer, Adolf Hitler und Mesut Özil vielleicht. Aber richtige Bio-Deutsche sind die ja alle nicht. Beckenbauer ist Bayer, Hitler Österreicher und Özil Türke.
Ich habe allen hoch und heilig versprochen, im nächsten Sommer unseren Schwiegersohn, den grandiosen italienischen Superstürmer Luigi, unbedingt mitzubringen. Er wurde in Abwesenheit fast einstimmig zum Spielführer unserer Dorf-Fußballmannschaft gewählt. Nur unser linker Verteidiger, der Schienbeinbrecher Kemal, wehrt sich noch dagegen, die Kapitänsbinde abzugeben.
»Dabei weiß mein Luigi gerade mal, dass der Ball rund ist, wenn überhaupt, Gott sei Dank«, lacht Zeynep und ist überaus glücklich darüber, dass ihr zukünftiger Mann vom Fußball keine Ahnung hat. …
»Das reicht doch«, sage ich. »Allein diese Weisheit zu kennen, die der kluge Sepp Herberger vor 70 Jahren verkündet hat, macht meinen Schwiegersohn schon zu einem großen Fußballexperten! Die anderen fußballverrückten Männer wissen auch nicht viel mehr, außer dass der Ball rund sein soll!«
Nach langem Zögern erklärt sich unser linker Verteidiger ›Schienbeinbrecher Kemal‹ zur Zufriedenheit aller doch noch bereit, die Kapitänsbinde unverzüglich an meinen italienischen Schwiegersohn abzutreten, falls er im nächsten Sommer seine Fußballstiefel für unsere Dorf-Mannschaft schnüren sollte. Ich befürchte aber, dass er außer seinen gelben Gummistiefeln zum Angeln nichts in der Richtung hat.
Die ganzen Besucher des Dorf-Cafés klopfen demSchienbeinbrecher Kemal für diese große Opferbereitschaft auf die Schultern, in dem Moment klingelt mein Händy:
»Na, Osman, ich bin so was von
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