Deutschland misshandelt seine Kinder (German Edition)
Tätern eben fast durchweg um die Eltern der Opfer.
Angehörige des Kinderschutz- wie auch des Rechtssystems, von Sozial- und Heilberufen, die diese grundlegende Wahrheit verleugnen, spielen den Tätern in die Hände. Sie begehen Verrat an den Kindern, die sie schützen oder denen sie Gerechtigkeit widerfahren lassen sollen.
Das gilt beispielsweise für den Richter, der im Fall
Joelina Schaper
zu entscheiden hatte: Das 13 Monate alte Mädchen war von seiner Mutter mit verbranntem Gesäß in die Klinik gebracht worden. Neben massiven Bissmarken an beiden Armen wies das Kleinkind zudem Zigarettenbrandwunden am rechten Handrücken auf. Zum Zeitpunkt des Geschehens war lediglich die Mutter mit dem Mädchen in der Wohnung gewesen.
Vor Gericht wartete die Mutter mit abstrusen Erklärungsversuchen auf: Angeblich habe die Kleine nach einer eingeschalteten, daher heißen Glühbirne gegriffen. Die Bisswunden habe der ein Jahr ältere Bruder dem Mädchen zugefügt. Beides konnte jedoch nicht stimmen, erklärten wir als Sachverständige: Die Brandwunden befanden sich schließlich auf der Rückseite der Hand, und die Bissmarken stammten vom Gebiss eines erwachsenen Menschen (siehe auch Kapitel 7 :
Zum Fressen gern
).
Der Richter zeigte offen sein Mitgefühl – nicht etwa mit dem kleinen Misshandlungsopfer, sondern mit der armen Mutter. Als ob sie durch den tragischen Unfall nicht schon genug gestraft wäre, werde sie nun auch noch durch »abwegige rechtsmedizinische Spekulationen« unter Verdacht gestellt!
Als wir schließlich erklärten, die thermischen Gesäßverletzungen kämen höchstwahrscheinlich daher, dass das Kleinkind mit dem nackten Po auf eine glühende Herdplatte gesetzt worden sei, zeigte sich der Richter geradezu empört: »So etwas würde eine Mutter doch niemals machen!«
Er befand, dass Joelina durch einen »tragischen Unfall« verletzt worden sei, und sprach die Mutter frei. Die erfreute Misshandlerin durfte ihr Opfer gleich wieder mit nach Hause nehmen.
Generell gilt: Je bizarrer die Verletzungen, die ein Kind erlitten hat, desto bereitwilliger glauben Helfer, Ärzte und Justizangehörige die fantastischen Geschichten, die ihnen die Eltern zur Erklärung auftischen.
Hierzu nochmals der Fall
Felix Lemmer
(siehe oben:
Goldene Tipps für Sadisten
): Der dreijährige Junge wurde von seiner sadistischen Stiefmutter in brühheißes Badewasser gesetzt und dort fixiert. Von der Hüfte abwärts verbrüht, liegt er im Brandverletztenzentrum – und die beiden behandelnden Anästhesisten weigern sich, Anzeige zu erstatten. »Ich glaube nicht, dass das jemand absichtlich gemacht hat«, sagt der eine. »So etwas tut doch niemand!«, stimmt sein Kollege zu.
Der behandelnde chirurgische Assistenzarzt ist anderer Ansicht. Er ruft seinen Chef an und erklärt ihm: »Meiner Meinung nach war das kein Unfall. Das Verletzungsmuster sieht aus wie in den einschlägigen Kindesmisshandlungs-Dokumentationen.«
Der Chefarzt kommt sofort in die Abteilung der Anästhesisten. Er sieht sich die Verbrühungsverletzungen noch einmal an – und gibt seinem Assistenzarzt recht. »Wir rufen die Polizei.«
»Aber nicht von unserem Telefon aus!«, fährt ihn einer der Anästhesisten an. Auch wenn es für Außenstehende kaum glaublich klingen mag: Die Anästhesisten weigern sich hartnäckig, den Chirurgen von ihrer Abteilung aus mit der Polizei telefonieren zu lassen. Mit einem so schwerwiegenden Tabubruch wollen sie nichts zu tun haben.
Dem Chirurgen bleibt nichts anderes übrig, als das Gebäude zu verlassen und von draußen mit seinem Handy bei der Polizei anzurufen. Auch er wagt es im Übrigen nicht, das Undenkbare laut auszusprechen. Er erwähnt lediglich »Ungereimtheiten« und bittet darum, den Jungen durch einen Rechtsmediziner untersuchen zu lassen.
Doch immerhin hatte er den Mut, den Stein ins Rollen zu bringen. Es kommt zum Prozess vor dem Landgericht, und trotz aller Vertuschungs- und Beschönigungsversuche durch Täter, Jugendamt und Ärzte erkennt der Richter die Schwere der Tat: Die Stiefmutter wird zu einer hohen Haftstrafe verurteilt.
Leider ist das aber eine seltene Ausnahme. Meist kommt es bei Misshandlungsdelikten gar nicht erst zur Anklage. Und wenn ein Fall doch vor Gericht landet, dann können wir Rechtsmediziner noch so eindeutige Beweise und unwiderlegbare Schlussfolgerungen präsentieren: Vielfach weigern sich Richter oder Schöffen schlichtweg, das Offensichtliche zu sehen, das Unverkennbare
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