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Deutschland misshandelt seine Kinder (German Edition)

Deutschland misshandelt seine Kinder (German Edition)

Titel: Deutschland misshandelt seine Kinder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tsokos , Saskia Guddat
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Körperverletzung durch massives Schütteln mit Anschlagen des Kopfes vor. Der Haftrichter bezweifelt unsere Befunde mit keinem Wort – und ordnet an, den jungen Mann auf freien Fuß zu setzen. Begründung: »Ein Siebzehnjähriger kann nicht wissen, dass man ein Baby nicht schütteln darf.«
    Die junge Familie hatte in den letzten drei Monaten in einem Mutter-Kind-Heim in einem Stadtteil im Berliner Westen. Dass Väter dort mit einziehen, ist zwar nicht vorgesehen, wird jedoch in Einzelfällen geduldet. Und Kristian Halberstedt kommt schließlich aus einer Familie mit klangvollem Namen und einem Anwesen am Wannsee. Allerdings halten die Adoptiveltern wenig von der jungen Frau, mit der Kristian liiert ist – und noch weniger sind sie davon angetan, dass die beiden ein Kind miteinander haben, obwohl sie selbst fast noch Kinder sind.
    Aber irgendwo musste Kristian Halberstedt ja wohnen – und Mutter, Vater, Kind gehören schließlich zusammen. Das scheinen sich jedenfalls die Verantwortlichen beim Jugendamt und bei dem Träger gesagt zu haben, der die Mutter-Kind-Einrichtung betreibt.
    Bereits zwei Wochen, bevor Scarlett in die Klinik eingeliefert wird, war den Helfern im Mutter-Kind-Heim indessen aufgefallen, dass das Baby Hautunterblutungen am rechten Arm aufwies. In den Stunden davor war Kristian, der jugendliche Hüne, mit seiner kleinen Tochter allein gewesen. Eine Helferin wandte sich daraufhin an ihren Vorgesetzten: Scarlett sei ein unruhiges Kind, und der junge Vater wirke manchmal etwas überfordert. Die Hautunterblutungen am Arm des Babys könnten eine Folge dieser Überforderung sein. Vielleicht sei es besser, ihn nicht mit Scarlett allein zu lassen.
    Der Vorgesetzte gab diese Bedenken schriftlich an den Sachbearbeiter im Jugendamt weiter. Der machte sich eine Notiz und entschied, diesen Punkt bei der nächsten Fallkonferenz zwei Wochen später anzusprechen. Doch bevor es zu diesem Meeting kommt, ist Scarlett tot.
    Immerhin wird Kristian Halberstedt nun doch in Untersuchungshaft genommen: Bei schwerer Kindesmisshandlung mit Todesfolge gibt es – auch im Jugendstrafrecht – eine hohe Haftstrafenerwartung. Außerdem besitzt der junge Vater neben seinem deutschen einen ecuadorianischen Pass – und das südamerikanische Land liefert nicht an Deutschland aus. Doch das erneute tragische Versagen des deutschen Kinderschutzsystems ist durch die Verhaftung nicht wiedergutzumachen.
    Wie ist dieses tödliche Desaster zu erklären? Wie kann es passieren, dass in einer betreuten Mutter-Kind-Einrichtung, also buchstäblich unter den Augen der Helfer, ein Säugling schwerst misshandelt wird?
    Den Jugendamtsmitarbeitern lässt sich in diesem Fall kaum etwas vorwerfen: Die Verantwortlichen im Mutter-Kind-Heim hätten beim Jugendamt klipp und klar beantragen müssen, dem Vater den alleinigen Umgang mit seiner Tochter zu untersagen, da Scarletts körperliche Unversehrtheit akut gefährdet sei. Auf diese offizielle Kinderschutzmeldung hin hätte das zuständige Jugendamtsteam umgehend die nötigen Maßnahmen treffen müssen: Auszug des Vaters aus dem Mutter-Kind-Heim oder zumindest ein Verbot des alleinigen Umgangs mit Scarlett.
    Hatten die Helfer denn genügend Anhaltspunkte für ein so rigoroses Vorgehen? Diese Frage führt zum Kern des Skandals: Warnhinweise lagen seit Wochen in Hülle und Fülle vor – doch die Helfer verschlossen nach Kräften ihre Augen und Ohren.
    Immerhin hatte das Baby zwei Wochen vor seinem Tod einen Bruch der Unterarmknochen einseitig erlitten. Die Helfer im Mutter-Kind-Heim wollen davon allerdings nichts bemerkt haben. Bei der Befragung durch das LKA 125 geben sie sogar an, sie hätten Scarletts Arm massiert, weil die Kleine dort offenbar Schmerzen hatte. Angeblich hatte das Baby während der Massage gelacht, was jedoch vollkommen unmöglich ist. Wer jemals einen Knochenbruch hatte, weiß, wie empfindlich man dort selbst bei minimaler Berührung ist.
    Wie also kann es sein, dass ein halbes Dutzend Helferinnen, die täglich mit Scarlett und ihren Eltern zu tun hatten, von alledem nichts bemerkten? Nachdem der Vater den Arm seiner Tochter gebrochen hatte, muss das Baby zwei Wochen lang grässliche Schmerzen gehabt haben. Wenn es gewaschen, angezogen, aufgenommen, hingelegt wurde – jede Berührung seines Arms muss für das Mädchen die Hölle gewesen sein. Es muss geschrien und gequengelt haben – insbesondere bei den »entspannenden« Armmassagen.
    Lilly Hollbrück konnten die

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