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Deutschland misshandelt seine Kinder (German Edition)

Deutschland misshandelt seine Kinder (German Edition)

Titel: Deutschland misshandelt seine Kinder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tsokos , Saskia Guddat
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konnte.
    Für das Gerechtigkeitsempfinden ist ein solcher Freispruch »aus Mangel an Beweisen« zumindest ein Ärgernis. Für das Opfer bedeutet es geradezu eine Verhöhnung – und in Fällen von Kindesmisshandlung meist eine Verlängerung seiner Leiden. Die Täter werden nicht nur freigesprochen – ihr Opfer wird ihnen oft vom Familiengericht auch gleich wieder ausgehändigt, damit sie es weiter misshandeln können. Und das, obwohl alle Beteiligten wissen, dass einer der Angeklagten die Tat begangen haben
muss
und der andere ihn durch Schweigen oder Falschaussage deckt.
    Hierzu drei beispielhafte Fälle, wie sie sich tagtäglich irgendwo in Deutschland ereignen.

Im Zweifel für die Knochenbrecher?
    Fritz und Charlene Grabowski sind Mitte zwanzig, beide berufstätig und teilen sich die Betreuung ihres einzigen Kindes. Sie arbeitet als Bäckerin von drei Uhr früh bis zwölf Uhr mittags, er bedient abends als Kellner in einem Restaurant. So kann sich die Mutter am Nachmittag um die kleine Tochter Luisa kümmern, während der Vater vormittags auf das Mädchen aufpasst.
    Luisa ist 18  Monate alt, als Charlene sie eines Nachmittags ins Krankenhaus bringt. Die Kleine hat einen Oberarmbruch und rundlich geformte Hämatome neben den Bruchstellen. Man kann deutlich erkennen, an welcher Stelle die Hände den kleinen Arm gepackt hatten.
    Die junge Mutter ist sichtlich aufgewühlt. »Ich kann mir nicht erklären, wie das passiert ist«, beteuert sie. »Als ich Luisa heute Mittag von meinem Mann übernommen habe, ist mir nichts an der Kleinen aufgefallen. Aber ich habe sie doch keine Minute aus den Augen gelassen!«
    Die Ärztin in der Notaufnahme hat ihre Zweifel. Die Klinik beauftragt uns, Luisas Verletzungen zu begutachten. Wir untersuchen das Mädchen, und unsere Befunde sind eindeutig: Der Arm des Babys wurde mit brutaler Gewalt gebrochen. Die rundlichen Hämatome sind die Griffmarken von den Händen eines erwachsenen Täters – oder einer Täterin.
    Beide Elternteile werden von der Kriminalpolizei vernommen. Fritz versichert, dass die kleine Luisa in gutem Gesundheitszustand gewesen sei, als er sie an Charlene übergeben habe. Natürlich habe er seiner Tochter nicht den Arm gebrochen! Es sei auch niemand sonst in der Wohnung gewesen, bis Charlene von der Arbeit gekommen sei. Und selbstverständlich würde auch seine Frau ihrem geliebten Töchterchen so etwas niemals antun.
    Charlene sagt sinngemäß das Gleiche aus wie ihr Mann. Sie entlastet ihn und beteuert ihre Unschuld. Dass sich die Staatsanwaltschaft überhaupt zur Anklageerhebung entschließt, ist ein kleines Wunder.
    Doch im Gerichtssaal ereignen sich Wunder noch seltener als bei der Anklagebehörde. Von ihren Anwälten zweckdienlich beraten, bleiben Fritz und Charlene bei ihrer Aussage. »Ich war es nicht!«, beteuern sie wie aus einem Mund. »Wir beide könnten unserer Kleinen nicht mal ein Haar krümmen.«
    Das Gericht hat keine Zweifel an den rechtsmedizinischen Befunden, die wir als Gutachter vertreten: Der Arm des Babys wurde von einem Erwachsenen gebrochen, ein Unfallgeschehen ist auszuschließen.
    Trotzdem werden beide Angeklagten »zweiter Klasse« freigesprochen. Begründung: Zwar stehe außer Zweifel, dass es sich um ein Körperverletzungsdelikt handele, und als Täter kämen auch nur die beiden Eltern in Betracht. Doch da die Tat weder Vater noch Mutter sicher zugeordnet werden könne, seien beide aus Mangel an Beweisen freizusprechen.
    So verlassen die Eltern als freie Leute den Gerichtssaal – obwohl gerichtlich festgestellt wurde, dass einer der beiden ein brutaler Kindesmisshandler ist. Und obwohl klar ist, dass der oder die andere den Täter deckt.
    Lachend hält die Mutter die kleine Luisa im Arm, deren schmerzhafter Spiralbruch gerade erst abgeheilt ist. Den Zuschauern im Gerichtssaal ist anzusehen, dass sie mit dem Urteil so wenig einverstanden sind wie wir und die Kommissare vom LKA 125 , die in dieser Sache ermittelt haben.
    Was ist das für ein Gesetz, das brutale Gewalttäter schützt – und ihnen auch noch ihr Opfer von neuem ausliefert?
     
    Um fünf Uhr nachmittags klingelt Lena Rutschky bei der Tagesmutter, um ihre dreijährige Tochter Nele abzuholen. Die etwa vierzigjährige Bea Hinrichs kommt selbst an die Tür. Hinter ihr im Haus ist das fröhliche Lärmen der Kinder zu hören, die sie an jedem Werktag von acht bis 17  Uhr betreut.
    Lena Rutschky hört auch die Stimme ihrer Tochter Nele. Aber das zweieinhalbjährige

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