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Deutschland misshandelt seine Kinder (German Edition)

Deutschland misshandelt seine Kinder (German Edition)

Titel: Deutschland misshandelt seine Kinder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tsokos , Saskia Guddat
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Mädchen klingt alles andere als vergnügt. Nele weint leise vor sich hin.
    Die Mutter nimmt sie in den Arm und schaut sie erschrocken an. Nele sieht schlimm aus. Ihr Kinn ist angeschwollen und durch einen gewaltigen Bluterguss verfärbt. Quer über eine Wange hat sie länglich geformte Hämatome, die auffällig parallel verlaufen.
    »Ein unglücklicher Sturz«, sagt Bea Hinrichs. »Nele ist im Rennen über die Murmelbahn gestolpert und hat sich dabei das Kinn aufgeschlagen.«
    »Aber diese Doppelstreifen auf der Wange«, fragt Lena Rutschky, »wo hat sie die denn her?«
    »Nele ist manchmal ein schrecklicher Wildfang«, antwortet die Tagesmutter. »Noch bevor die Sache mit der Murmelbahn passiert ist, ist sie gegen die Türkante gelaufen.«
    »Und davon bekommt man solche Doppelstriemen?«, hakt die Mutter nach.
    Bea Hinrichs ist erneut um eine Antwort nicht verlegen. »Ist Ihnen noch nicht aufgefallen, dass Ihre Tochter im Rennen manchmal den Kopf schräg hält – so?«
    Sie macht es Lena Rutschky sogar vor. Doch die Mutter findet das alles wenig überzeugend. Nele ist eigentlich ein eher vorsichtiges Kind, und dass ihre Tochter mit schräg gestelltem Kopf durch die Gegend rennen würde, hat sie auch noch nie beobachtet. Die Mutter ist überzeugt davon, dass Bea Hinrichs das kleine Mädchen misshandelt hat.
    Also erstattet sie Anzeige beim Landeskriminalamt. Das LKA 125 beauftragt uns, Nele Rutschky zu untersuchen. Unser Gutachten bestätigt den Verdacht der Mutter. Die Hautunterblutungen an Neles Kinn hätten sich notfalls mit dem Sturz über die Murmelbahn erklären lassen. Doch die Doppelstriemen auf der Wange stammen eindeutig von heftigen Ohrfeigen.
    Die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage wegen Misshandlung einer Schutzbefohlenen. Bea Hinrichs bestreitet, das kleine Mädchen geschlagen zu haben. Doch nach ihrer Aussage war sie zum Tatzeitpunkt die einzige Erwachsene im Haus – und die heftigen Ohrfeigen wurden eindeutig von einer erwachsenen Person verabreicht.
    Bea Hinrichs wird zu einer Geldstrafe von 2500 Euro verurteilt. Weit ärger für sie sind die administrativen Folgen des Urteils: Das Gesundheitsamt wird vorschriftsmäßig informiert – und Bea Hinrichs verliert ihre Zulassung als Tagesmutter. Damit steht sie ohne Einkommen für sich selbst und ihre beiden volljährigen Kinder da, die noch in der Ausbildung sind.
    Doch ihr Anwalt legt Berufung gegen das Urteil ein. Der Fall kommt vor die nächste Instanz – und diesmal bringt Bea Hinrichs eine ganz andere Geschichte vor. Von der Murmelbahn ist keine Rede mehr, so wenig wie von Neles angeblicher Neigung, mit schräg gestelltem Kopf durchs Zimmer zu rennen. Stattdessen offenbart die ehemalige Tagesmutter nun, dass sie in einem Punkt nicht die Wahrheit gesagt habe.
    »Außer mir waren noch zwei Erwachsene im Haus.« Sie gibt auch bereitwillig die Identität der beiden Tatverdächtigen preis: Aron und Sarah Hinrichs, ihre beiden volljährigen Kinder.
    »Ich habe beobachtet, wie einer von ihnen Nele ins Gesicht geschlagen hat«, gesteht Bea Hinrichs. »Aber ich konnte doch mein eigen Fleisch und Blut nicht belasten – deshalb habe ich das bis jetzt verschwiegen!«
    Und wie erklärt sich ihr plötzlicher Sinneswandel? Leider nicht mit später Reue der ungetreuen Betreuerin. Sehr viel eher sieht es danach aus, dass der Anwalt diese neue Strategie für seine Mandantin ausgeheckt hat.
    »Welches meiner beiden Kinder Nele geschlagen hat, werden Sie von mir nicht erfahren«, fügt Bea Hinrichs hinzu. »Als Mutter habe ich ein Zeugnisverweigerungsrecht, und davon mache ich hiermit Gebrauch.«
    Dabei bleibt sie. Und wird »zweiter Klasse« freigesprochen, weil weder ihr noch einem ihrer erwachsenen Kinder die Tat sicher zugeordnet werden kann.
    Im Zweifel für die Angeklagte. Und ohne Zweifel gegen das misshandelte Kind.
     
    Als Nadine Johansson die Tür öffnet, ist sie bleich vor Angst. »Na endlich!«, stößt die neunzehnjährige junge Frau hervor und läuft so schnell sie kann ins Wohnzimmer zurück.
    Der Notarzt und die beiden Sanitäter folgen ihr im Laufschritt. Die kleine Mandy liegt auf einer Babydecke auf dem Teppichboden, unmittelbar vor dem Sofa. Das Mädchen ist 16  Monate alt und offenbar schwer verletzt. Die Schädeldecke ist mehrfach gebrochen, Stirn und Gesicht sind geschwollen und blutüberströmt.
    Mandy wird in der Notambulanz erstversorgt und sofort in die Unfallklinik gebracht. Dort stellt sich bei der Untersuchung heraus, dass

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