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Dezembersturm

Titel: Dezembersturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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stieß dann einen gotteslästerlichen Fluch aus.
    »Dann sehen wir uns vor Gericht wieder! Beklage dich aber nicht,wenn dir der Richter auch noch das letzte Hemd nimmt. Schließlich hätte deine Tochter es auch anders haben können. Doch sie musste ja diesen lächerlichen Lehrer mir vorziehen. Der Kerl ist ein Hungerleider, der niemals auf einen grünen Zweig kommen wird!«
    Sein Onkel erinnerte sich mit Grausen an die Zeit, in der Ottokar seine Leonore in einer Weise bedrängt hatte, dass er mehrmals hatte eingreifen müssen. Bis heute wusste er nicht, ob seine Tochter den Dorfschullehrer Claus Huppach wirklich geliebt oder sich ihm nur deswegen zugewandt hatte, um vor weiteren Nachstellungen ihres Vetters sicher zu sein. Leonore hatte sich dieses gutmütige Schaf von einem Mann ausgesucht und ihm weisgemacht, ihr ganzes Lebensglück hinge von dieser Verbindung ab. Da zu Wolfhards Verwunderung außer Ottokar kein Freier aus seinen Kreisen an ihn herangetreten war, hatte er schweren Herzens seine Zustimmung zu dieser Heirat gegeben.
    Inzwischen hatte er sich mit seinem Schwiegersohn abgefunden und freute sich an der munteren Rasselbande, die im Lehrerhaus aufwuchs, auch wenn die Kinder in seiner Gegenwart so still wie Mäuschen wurden. Da von vorneherein klar gewesen war, dass Gut Trettin als Majorat an seinen widerwärtigen Neffen gehen würde, hatte er getan, was noch möglich gewesen war, um Leonore und seinen Enkelkindern auch nach seinem Tod ein gutes Leben zu bieten. Davon würde er sich auch durch Ottokars Drohungen nicht abhalten lassen.
    Daher sah er mit einem spöttischen Lächeln auf seinen Neffen hinab. »Tu, was du nicht lassen kannst. Allerdings bezweifle ich, dass du Erfolg haben wirst.«
    Ottokar stieß wütend die Luft aus der Lunge. »Ich weiß, dass du Geld hast! Immerhin hast du im letzten Jahr zweitausend Taler zum Fenster hinausgeworfen, um Fridolin vor dem Schuldgefängnis zu bewahren.«
    »Es war das letzte Bargeld, über das ich verfügen konnte, und ich habe es lieber für Fridolin ausgegeben, als es irgendwann einmal dir zu überlassen.«
    Der Spott in Wolfhard von Trettins Stimme ließ Ottokars Gesicht hochrot anlaufen. Er wollte dem Alten seine Wut ins Gesicht schreien, kannte seinen Onkel aber gut genug, um zu wissen, dass dieser nur darauf lauerte, ihm weitere boshafte Antworten zu geben. Daher bezähmte er sich, holte ein paarmal tief Luft und versuchte, dem Alten ruhig ins Gewissen zu reden.
    »Du hättest die Scheine besser ins Feuer gesteckt, als sie für Fridolin zu vergeuden. Der Kerl ist bis ins Mark verderbt! Trotz seiner Jugend spielt er, säuft und treibt sich mit zweifelhaften Frauenzimmern herum. Er ist eine Schande für unsere Familie, und jeder Taler, den du für ihn ausgegeben hast, müsste dir in der Seele weh tun.«
    »Ha! Ich habe in meiner Jugend ebenfalls gespielt, gesoffen und mich mit Weibern herumgetrieben. Und ich bereue das bis heute nicht.« Bei diesen Worten lachte Wolfhard von Trettin seinem Neffen ins Gesicht.
    Ottokar wurde klar, dass er weder mit guten Worten noch mit Drohungen etwas erreichen konnte, und so schüttelte er wutschäumend seinen Stock gegen den alten Mann. »Du wirst noch von mir hören!«, brüllte er und verließ ohne ein Wort des Abschieds das Haus.
    Wolfhard von Trettin schloss die Tür hinter ihm und sagte sich, dass es wirklich klüger gewesen war, Lore nach Hause zu schicken. Das Mädchen hätte sich wegen des Streites geängstigt und ihren Eltern davon erzählt. Doch es gab Dinge, die auch seine Tochter nicht zu wissen brauchte.

II.
     
    Ottokar von Trettin bestieg schwungvoll seine Kutsche, ließ sich in die Polster fallen und klopfte mit dem Stock gegen das Dach. »Fahr los, Florin, und spare nicht mit der Peitsche. Ich will bald zu Hause sein.«
    Während der Kutscher die Pferde antrieb und der Wagen Geschwindigkeit aufnahm, ließ Ottokar das Gespräch mit seinem Onkel Revue passieren und erkannte zu seinem Ärger, dass er gegen den alten Herrn erneut den Kürzeren gezogen hatte.
    »Der soll mich kennenlernen! Vor Gericht werde ich ihm zeigen, wer hier das Sagen hat«, schwor er sich und drohte mit der Faust in die Richtung, in der das alte Jagdhaus stand.
    Doch es war bereits außer Sicht, denn die Kutsche schoss, von den schnellen Pferden gezogen, über den von dichten Tannen gesäumten Forstweg, als sei dieser eine breite, gepflasterte Allee, und legte die halbe deutsche Meile bis zu der Straße nach Bladiau in kürzester Zeit

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