Dezembersturm
nach Amerika ins Auge gefasst. Ich muss sagen, ich bin ihm ein wenig böse, dass er mich nicht eingeweiht hat. Sonst wäre ich mit dir gefahren.«
Lore sah ihn an und begriff, dass er die Wahrheit sagte. Außerdem mochte sie ihn, und das war etwas, das nicht alle Bräute von sich behaupten konnten. Natürlich war er nicht mit Thomas Simmern zu vergleichen, oder vielleicht doch?
Fridolin dauerte ihr Sinnieren zu lange. »Du brauchst keine Angst zu haben, ich wäre auf dein Geld aus! Herr Simmern hat mir versprochen,mir eine Stellung zu verschaffen, die ich auch als Adeliger unbesorgt antreten kann.«
»Das ist lieb von ihm! Übrigens hat es mir sehr imponiert, wie du Rupperts Spießgesellen mit der Pistole in der Hand aufgehalten und jetzt auch Malwine in die Schranken verwiesen hast. Ich will diese Frau nie wiedersehen.«
»Das musst du auch nicht. Vielleicht freut es dich, zu erfahren, dass ich deinen Großvater in die Familiengruft derer von Trettin überführen lasse. Er wird aber nicht direkt neben Ottokar liegen.«
»Das sollte er auch nicht. Ich danke dir, dass du daran gedacht hast«, antwortete Lore und senkte den Kopf auf Fridolins Brust, um die Tränen zu verbergen, die die Erinnerung in ihr aufsteigen ließ. »Vielleicht sollten wir wirklich heiraten, aber nicht, weil mein Großvater es gerne gesehen hätte oder Dorothea es so möchte, sondern …«
»… weil Nati auf diese Weise diese aufgeblasene Ermingarde und ihren noch aufgeblaseneren Sohn loswerden könnte. Ich glaube, diesen Wunsch sollten wir ihr erfüllen.« Fridolin lachte und zeigte dabei seine weißen, makellosen Zähne.
Er war ein gutaussehender Mann, fand Lore, und einer, mit dem sie auskommen konnte. Außerdem war er der Einzige, bei dem sie die Vorstellung nicht erschreckte, gewisse Dinge tun zu müssen, die zu einer Ehe gehörten.
»Eines möchte ich vorher klarstellen«, sagte sie. »Du wirst mir erlauben, meine Freundin Mary aus England zu holen und mit ihr einen Modesalon zu eröffnen. Keine Angst, ich werde als stille Teilhaberin im Hintergrund bleiben. Aber sie mag Konrad und er sie. Ich möchte, dass die beiden ihr Glück finden. Vielleicht sollten wir auch Marys Schwester Prudence mitkommen lassen. Sie ist ausgezeichnet mit Nati zurechtgekommen und wäre sicher die richtige Zofe für sie. Die Frau, die Thomas Simmern für sie eingestellthat, hat sich Ermingarde Klampt angeschlossen und arbeitet mehr als deren Zofe denn als Natis Betreuerin.«
»Wie es aussieht, werde ich dich wohl mit diesem kleinen Biest teilen müssen. Keine Angst, ich mag Nathalia, und ich will nicht, dass ihr euch trennt. Aber ich wünsche mir halt doch auch mal ein wenig Zeit für uns zwei. Aber jetzt zu etwas anderem. Meinst du, es wäre schicklich, wenn ich dich küsse, auch wenn du erst übernächste Woche sechzehn wirst?«
Lore dachte kurz nach und fand, dass es schicklich war. Außerdem würden Nati und Dorothea es von ihnen erwarten.
Nachwort
Der Untergang des NDL-Schnelldampfers
Deutschland
im Dezember 1875 hat sich so abgespielt, wie es im Buch beschrieben ist. Auch hat es die fünf Nonnen gegeben, die dabei ertrunken sind. Dieses Unglück hat großes Aufsehen erregt und in Deutschland sogar den Reichstag beschäftigt. Eine der Konsequenzen war schließlich die Gründung der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger.
Auch das zweite Schiffsunglück, der Zusammenstoß des englischen Dampfers
Strathclyde
mit dem HAPAG-Schiff
Franconia
vor Dover, ist ein Teil der Seefahrtsgeschichte, ebenso wie die im Text erwähnte Bombe an Bord des NDL-Schnelldampfers
Mosel
, die im Hafen explodierte.
Im Zeitalter der immer größer und schneller werdenden Dampfschiffe und eines immer noch hohen Verkehrsaufkommens durch Segelschiffe hinkte die Sicherheit weit hinterher. Es gab noch keine drahtlose Telegraphie, keinen Funk oder Vergleichbares. Man fuhr auf Sicht und berechnete den Standort nach den überlieferten Methoden aus der Segelschiffszeit und der mit einem primitiven Log errechneten Geschwindigkeit, wobei die Abdrift nach Windgeschwindigkeit und Meeresströmung als Schätzwert aus Erfahrung genommen wurde. Hilfe erbat man mit dem Knall der Bordkanone – wenn das Pulver trocken geblieben war.
Die Personen
In Ostpreußen
von Elchberg:
Nachbar der Herren von Trettin
Elsie:
Dienstmädchen Wolfhard von Trettins
Florin:
Kutscher Ottokar von Trettins
Gustav:
Angestellter bei Wagner
Huppach, Leonore, geb. von Trettin:
Lores
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