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DGB 06 - Gefallene Engel

DGB 06 - Gefallene Engel

Titel: DGB 06 - Gefallene Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mitchel Scanlon
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ist. Mein Bruder unterscheidet
sich von allen anderen, doch ihn trifft daran keine Schuld. Seine Intelligenz
ist so atemberaubend, dass es Situationen gibt, da kann nicht mal ich seiner
Logik folgen. Und ich kenne ihn immerhin schon so lange, dass ich mit seiner
Denkweise vertraut bin.«
    Nach einer kurzen Pause fuhr er
fort: »überleg mal, wie lang-weilig das alles für ihn sein muss. Versteh das jetzt
nicht falsch. Mein Bruder liebt Caliban, und er liebt auch den Orden. Aber
manchmal muss er sich vorkommen wie ein Riese unter Gnomen, sowohl körperlich
als auch geistig. Lord Cypher sagt, der Intellekt wird durch den freien
Gedankenaustausch unter Gleichen stimuliert, doch für meinen Bruder gibt es
keinen Gleichen, auf ganz Caliban nicht. Hier im Orden kann er seine aufgestauten
Energien abbauen. Wir geben ihm Kameradschaft und einen Daseinszweck. Wir haben
uns ihm verschrieben, und wir würden ihm bis in den Tod folgen, aber das alles
ist nicht genug im Leben eines Mannes. Auch wenn er von seinen Freunden und
Anhängern umgeben ist, so bleibt er dennoch einsam. Niemand auf dieser Welt ist
so wie er. Er ist der einsamste Mensch von allen.«
    »So habe ich das noch nie
gesehen«, sagte Zahariel.
    »Das solltest du auch besser
nie wieder«, riet ihm Luther, griff nach dem Kelch und roch am Wein. »Nicht zu fassen.
Das hier ist eine fröhliche Feier, und ich habe es geschafft, dem Ganzen eine
traurige Note zu verleihen. Ich werde mit dem Weinhändler des Ordens über die Weine
reden müssen, die er zu diesen Anlässen serviert. Dieser hier lässt Männer in
Grübeleien verfallen, wenn sie eigentlich fröhlich sein sollten. Und zu allem
Überfluss hinterlässt er einen Nachgeschmack nach Essig. Wenn ich bedenke, dass
ich eigentlich zu dir gekommen bin, um mich zu entschuldigen, weil ich den
Teufel gespielt habe.«
    »Den Teufel gespielt?«
    »Als du zum Orden kamst,
musstest du dich dem Einführungsritual unterziehen«, führte Luther aus. »Das ist
das Ritual, bei dem dir von drei verschiedenen Leuten Fragen gestellt werden.
Einer der Männer erhält die Vorgabe, den Ritter-kandidaten zu verunsichern und
lächerlich zu machen. Von ihm wird erwartet, dass er sich mit keiner Antwort
des Kandidaten zufriedengibt. Er wird als >der Teufel< bezeichnet.
Natürlich ist das nur etwas Symbolisches, das auf einem alten Aberglauben basiert.
Lord Cypher könnte dir vermutlich mehr darüber erzählen. Ich wollte dich nur
wissen lassen, es gab keine persönlichen Gründe dafür, warum ich bei deiner
Zeremonie den Teufel spielte. Es ist nur eine rituelle Rolle, weiter nichts.
Sie fällt einem per Los zu, daher war es purer Zufall, dass ich derjenige war.
An deinen Fähigkeiten habe ich nie gezweifelt, und ich gehe davon aus, dass du
auch weiterhin zu den Besten und Klügsten gehören wirst.«
    Luther streckte eine Hand aus
und legte sie gleich unterhalb der Armbeuge auf Zahariels Unterarm, Zahariel beschrieb
umgekehrt die gleiche Geste, die auf Caliban für Freundschaft stand.
    »Ich gratuliere dir, Sar
Zahariel«, sagte er und sah zu den anderen Rittern. »Ich schätze, ich sollte
mal ein wenig durch den Saal schlendern. Es gibt einige Ritter, mit denen ich
noch reden muss.«
    Luther wandte sich ab, sah dann
aber noch einmal Zahariel an.
    »Ach ja, eines noch. Wenn du
jemals einen Ratschlag benötigst, kannst du jederzeit zu mir kommen. Wenn du
ein Problem hast, werde ich immer ein offenes Ohr für dich haben.«
    Nemiel hatte an diesem Abend
bereits mit Zahariel gesprochen, ebenso Meister Ramiel. Sein Cousin schien begeistert
darüber zu sein, dass er endlich ein Ordensritter geworden war. Da Zahariel
nicht viel Alkohol vertrug, war er sparsam mit seinem Wein umgegangen. Nemiel
dagegen hatte seinen Durst ausgiebiger gestillt.
    Während Zahariel die Bestie von
Endriago gejagt hatte, war Nemiel auf die Idee gekommen, seinerseits darum zu
ersuchen, ebenfalls auf die Jagd gehen zu dürfen. Als wolle er um jeden Preis
beweisen, dass ihr Wetteifern kein bisschen an Intensität verloren hatte, war
er nur knapp eine Woche vor Zahariel nach Aldurukh zurückgekehrt. Als sich Zeit
fand, um sich endlich ungestört unterhalten zu können, gehorchte seine Zunge
ihm schon nicht mehr vollständig.
    »Du hast bereits gezeigt, wozu du
fähig bist, Cousin«, sagte Nemiel, dessen Atem intensiv nach Wein roch, während
er unsicher und leicht schwankend neben ihm stand.
    »Wir beide haben das gemacht.
Wir haben bewiesen, dass wir das Zeug zum Ritter

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