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DGB 06 - Gefallene Engel

DGB 06 - Gefallene Engel

Titel: DGB 06 - Gefallene Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mitchel Scanlon
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er die Gesichter der anderen wie durch ein Kaleidoskop. Alle
lachten ausgelassen.
    Einige Ritter kannte er
persönlich, aber bislang waren sie ihm immer nur als ernste, verschlossene
Männer erschienen.
    Er entdeckte den Löwen, Luther,
Lord Cypher und auch Meister Ramiel, die alle lachten oder zumindest lächelten.
    Von allen Bildern, die er in
seinem Leben zu sehen bekommen würde, sollte ihm dieses als das eigenartigste
und eindringlichste im Gedächtnis bleiben.
     
    »Es ist Tradition«, erklärte
Luther ihm lachend, als sie später zusammensaßen und einen Kelch Wein tranken.
»Ich rede vom >Sprungbrett<. Das machen wir bei jedem Neuen. Aber dein
Gesicht, das war wirklich Gold wert.«
    Sie saßen im Hauptspeisesaal
von Aldurukh. Zu Zahariels großer Erleichterung begnügten sich die anderen Ritter
mittlerweile damit, seinen Aufstieg in ihre Reihen auf eine mehr prosaische
Weise zu feiern, anstatt ihn weiter durch die Luft zu wirbeln. Zu seinen Ehren
hatte man ein Festmahl aufgefahren, bei dem zahlreiche Trinksprüche und Lobesreden
ausgebracht wurden.
    Ritter, die er bis dahin nur
aus der Ferne gesehen hatte, kamen nun zu ihm, fassten seinen Arm und
bezeichneten ihn als Bruder.
    Er wusste nicht, ob es aus
Respekt vor seiner vollbrachten Leistung geschah, oder ob sie jeden neuen
Ritter auf diese Weise begrüßten. So oder so war es für Zahariel eine
überwältigende Reaktion gewesen, und die Erfahrung wurde umso stärker in sein
Gedächtnis eingebrannt, da er sich in erlesener Gesellschaft befand.
    Nachdem das Festmahl beendet war
und sich die Anwesenden zu kleinen Grüppchen zusammenscharten, hatte Luther
besonderen Wert darauf gelegt, sich in seine Nähe zu begeben. Offenbar hielt er
es für wichtig, dass Zahariel bei den Feierlichkeiten seinen Spaß hatte.
    »Ja, das hättest du sehen müssen«,
meinte Luther nach wie vor amüsiert. Seine humorvolle Art wirkte auf Zahariel
augenblicklich beruhigend. »Wirklich eine Schande, dass du dich nicht selbst
sehen konntest. Als sie dich plötzlich packten, hast du drein-geblickt, als wollten
sie dich umbringen. Und als dir dann klar wurde, was sie in Wahrheit vorhatten,
hast du noch viel erschreckter gewirkt. Zeitweise habe ich wirklich gedacht, du
würdest dir in dein Gewand machen. Ein Glück, dass es nicht dazu gekommen ist,
wenn man bedenkt, dass du in dem Moment in die Luft geworfen wurdest.«
    »Es war nur ... ich hatte damit
nicht gerechnet«, sagte Zahariel.
    »Ich dachte ...«
    »Was? Dass wir keinen Sinn für
Humor haben?« Luther legte eine Hand auf die Augen, als müsse er Lachtränen
wegwischen. »Ja, das glauben die Leute tatsächlich, und genau das macht das
Ganze so komisch. Übrigens ist dir doch bestimmt klar, dass ich nicht gescherzt
habe, als ich es eine Tradition nannte, nicht wahr? Zugegeben, das ist nichts,
was du von deinem Meister oder von Lord Cypher zu hören bekommst. Aber in
vieler Hinsicht ist es genauso eine Tradition wie all die anderen Dinge, die du
in den Jahren tun musstest. Wir nennen es das >unsichtbare Sprungbrett<.
Betrachte es als ein Gegenmittel zu der freudlosen Ernsthaftigkeit der Einführungszeremonie.
So nehmen wir dich in unsere Familie auf.«
    »Familie?«
    »Der Orden«, machte Luther ihm
klar. »Erinnerst du dich noch, was Lord Cypher euch bei eurer ersten
Einführungszeremonie gesagt hat? Wir sind Brüder, jeder Einzelne von uns, und
Brüder sitzen nicht den lieben langen Tag herum und ziehen ein sauertöpfisches
Gesicht oder beklagen die Mühsal dieser Welt. Manchmal müssen wir eben Dampf
ablassen. Wir lachen, wir scherzen, wir spielen uns gegenseitig Streiche. Wir
tun das, was echte Brüder auch tun. Sieh dich hier um, Zahariel. Jeder Mann
hier wäre bereit, sein Leben für dich zu geben, wenn die Situation es
erfordert, und das Gleiche erwarten sie von dir. Caliban ist ein gefährlicher
Ort, und jeder von uns könnte gefordert werden, für einen seiner Brüder das
größte Opfer überhaupt zu erbringen. Aber das heißt nicht, dass wir nicht von
Zeit zu Zeit auch mal von Herzen lachen. Es hilft uns, nicht den Verstand zu
verlieren. Wir sind alle für einen Scherz zu haben.«
    »Sogar er?«, fragte Zahariel
und deutete mit dem Kopf auf Lion El'Jonson, der die anderen Ritter um sich herum
um mehr als einen Kopf überragte. Er hatte etwas Düsteres, Nachdenkliches an
sich, das noch stärker in den Vordergrund trat, wenn man ihn aus einiger Entfernung
beobachtete. Zahariel dachte zurück an die Unterhaltung mit dem

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