DGB 06 - Gefallene Engel
werden wir nicht.«
Sartana zog ein Jagdmesser mit langer Klinge hervor.
Zahariel richtete seine Pistole
auf das Gesicht des alten Mannes, doch der hatte gar nicht vor, ihn mit dem Messer
zu attackieren.
Stattdessen drehte er es flink in
seiner Hand um und rammte sich die Klinge in den Leib, die so nach oben wies,
dass sie sein Herz durchbohren musste.
Entsetzt ließ Zahariel seine
Waffen fallen und eilte nach vorn, um Lord Sartana aufzufangen, der von seinem
Thron rutschte.
Er legte dem sterbenden Ritter
auf den kalten Steinboden, während Blut aus der Wunde strömte.
»Du weißt, was man über die
Finsternis sagt, nicht wahr?«, keuchte Sartana. »Dass die Straße zur Finsternis
mit den guten Vorsätzen der Menschen gepflastert ist.«
»Davon habe ich gehört«,
bestätigte Zahariel.
»Vielleicht hätte jemand den
Löwen darauf hinweisen sollen«, brachte der alte Mann mit letzter Kraft heraus.
»So gut seine Absichten auch sein mögen, Lion El'Jonson wird am Ende Caliban
vernichten. Davon bin ich überzeugt.«
»Was soll aus uns werden?«,
hatte Lord Sartana gesagt. »Welchen Wert hat ein Krieger, wenn er keinen Krieg mehr
führen kann?«
Zu der Zeit hatte Zahariel
nicht weiter auf diese Worte geachtet, da er noch viel zu sehr im Bann der
Ereignisse dieses Tages stand.
Sartanas Ausführungen mochten
beunruhigend sein, doch es war ein Leichtes, über sie hinwegzugehen. Er war alt
und müde, die Gesichtszüge von Alter und Erschöpfung geprägt. Es war einfach,
seine Warnung als Gebrabbel eines Mannes abzutun, dessen Verstand längst die
Grenze zum Wahnsinn überschritten hatte.
Es war tatsächlich ein
Leichtes, die Worte abzutun, und es hätte ebenso einfach sein sollen, sie für
immer zu vergessen. Aber Tage und Wochen nach der Auslöschung der Ritter des
Lupus-Ordens kehrten sie zu Zahariel zurück, um ihn heimzusuchen.
Er sollte noch oft an sie
denken, und dabei sollte er sich jedes Mal darüber wundern, wie vorausschauend sie
gewesen waren.
In seinen finstersten
Augenblicken grübelte Zahariel dann darüber nach, ob die Begegnung an diesem
Tag eine versäumte Gelegenheit darstellte. Vielleicht hätte er die Botschaft an
den Löwen weitergeben können. Oder er hätte stärker darauf achten können,
welche Macht die Gefühle über Luther hatten.
Viele Jahre sollten vergehen,
ehe er immer häufiger an diese Worte denken musste. Und jedes Mal würde er sich
die Frage stellen, ob er die Zukunft hätte ändern können. Aber da war es
natürlich längst viel zu spät.
DRITTES BUCH
Imperium
Vierzehn
MIT DEM TOD VON LORD SARTANA
endete die Existenz der Ritter des Lupus-Ordens. Die letzten Ritter wurden durch
düstere, verlassene Korridore der in Trümmern daliegenden Festung gejagt und
getötet. Ihnen wurde keine Gnade gewährt, aber auch keine von ihnen erwartet,
da sie wussten, dass es keine Wiedergut-machung für das geben konnte, was sie
getan hatten.
Die Banner des Ordens wurden an
den höchsten Türmen der Festung aufgehängt, so dass die Feuer der Schlacht von
den eingewebten goldenen und karmesinroten Fäden in dem zerfledderten Stoff
reflektiert wurden. Schwerter schlugen auf Schilde, und die Kavallerie der
Ravenwing ritt johlend um die überrannten Mauern der Gebirgsfestung herum.
Die Krieger des Ordens freuten
sich über ihren Sieg, und alle spürten, dass sie mit der nahenden Vollendung ihrer
großen Aufgabe Geschichte schreiben würden. Nach der Vernichtung der Ritter des
Lupus-Ordens stand die Norderwildnis dem Orden offen, und nun konnten auch noch
die allerletzten Bestien ausgerottet werden.
Zahariel sah mit an, wie die
Festung der Ritter des Lupus-Ordens unter dem massierten Beschuss durch die Kanonen
des Ordens in Schutt und Asche gelegt wurde. Keine letzte Ehre wurde den
feindlichen Rittern zuteil, deren Leichname und Habseligkeiten man in den großen
Saal geschafft und verbrannt hatte.
Der Löwe war in die Bibliothek
gekommen, hatte Zahariel und Nemiel neben Lord Sartanas Leichnam vorgefunden
und den beiden gratuliert, ehe er sich den Büchern widmete, die in diesem
riesigen Saal versammelt waren.
Nach einem flüchtigen Blick auf
einige Werke befahl der Löwe den beiden, zur Schwertlinie zurückzukehren, dann
widmete er sich intensiver den von seinem Widersacher zusammengetragenen
Werken. Wenig später waren zahlreiche Wagen damit beschäftigt, die unzähligen
Bücher und Schriftrollen nach Aldurukh zu bringen, wo sie genauer
Weitere Kostenlose Bücher