DGB 06 - Gefallene Engel
untersucht
werden sollten.
Zahariel wandte sich von der
brennenden Festung ab, da es ihn traurig stimmte, wie ein solch mächtiges Bauwerk
dem Erdboden gleichgemacht wurde. Er fragte sich, ob man nach jeder Schlacht
ein so seltsames Durcheinander an Gefühlen wahrnahm. Er hatte überlebt, tapfer
gekämpft und seinen Beitrag zum endgültigen Sieg geleistet. Er hatte gesehen,
wie Geschichte geschaffen wurde, war Zeuge gewesen, wie ihr ärgster Feind den Tod
fand. Und doch war da dieses Gefühl, dass er mehr hätte tun können und dass er
Gelegenheiten ungenutzt hatte verstreichen lassen.
Sar Hadariel lebte und würde
wieder in den Kampf ziehen können, was auch für viele andere seiner
Schwertlinie galt. Die Verluste waren zahlreich gewesen, jedoch nicht so hoch,
dass sie dem Sieg einen säuerlichen Beigeschmack hätten verleihen können.
Auch wenn man viele Freunde und
Kameraden verloren hatte, überwog doch die Freude über den Sieg.
In den Wochen, in denen sie
sich auf dem Marsch zurück nach Aldurukh befanden, verzehnfachten sich die
Schandtaten der Ritter des Lupus-Ordens. Aus der absichtlichen Gefangennahme
der Bestien wurden abscheuliche Experimente verderbter Seelen. Als die
Ordenskrieger schließlich zu Hause eintrafen, waren aus ihren Gegnern die
abscheulichsten Monster geworden, restlos korrupt und weit von jeder Hoffnung
auf Buße entfernt. Es war ein guter und notwendiger Krieg gewesen, fanden die
Ritter, mit dem man Großes erreicht hatte. Caliban war der Freiheit einen
Schritt näher gekommen.
Trotz der Feierlaune und allen
Ehrungen, die ausgegeben wurden, konnte Zahariel nicht den Moment im Rundsaal
vergessen, als Lion El'Jonson Lord Sartana zu einem Krieg drängte, den der
eigentlich nicht hatte haben wollen.
Ja, der Feldzug des Ordens stand
dicht vor seiner Vollendung.
Aber war dessen Integrität
letztlich vielleicht doch noch von einem Makel befallen worden?
War Blut vergossen worden, weil
man Ziele verfolgt hatte, die keineswegs ehrbar waren?
Darüber machte sich Zahariel
Gedanken, als sie nach Hause ritten. Er war noch immer nicht in der Lage, seine
Gefühle in Worte zu fassen, nicht einmal denen gegenüber, denen er am nächsten
stand. Er sah seinen Brüdern zu, wie sie ihren großen Sieg feierten, und als er
beobachtete, wie der Löwe von allen Seiten mit Lob überschüttet wurde, legte
sich ein Schatten über sein Herz.
Nur ein anderer Mann im Orden
schien die gleichen Vorbehalte zu haben, und wenn Zahariel Luther neben seinem
Bruder reiten sah, dann konnte er bei beiden einen Schatten erkennen, der sich
über ihr frostiges Lächeln legte.
Falls Luther etwas von
Zahariels kritischem Blick bemerkte, ließ er das zumindest nicht erkennen, aber
der Ritt zurück nach Aldurukh hatte für ihn etwas Melancholisches, da seine
Leistungen von denen des Löwen um Längen in den Schatten gestellt wurden.
Zahariels und Nemiels Sieg über
die Bestie auf dem Burghof hatte ihnen Ehre eingebracht, und jeder von ihnen
wurde dafür mit Pergamenten an ihrer Rüstung geehrt, um an ihre Leistung zu
erinnern. Nemiel war außer sich vor Freude gewesen, und Zahariel freute sich ebenfalls.
Doch wenn er an den Kampf zurückdachte, stellte er sich jedes Mal die Frage,
wieso die seltsamen Mächte, die ihm beim Kampf gegen die Bestie von Endriago
zum Sieg verholfen hatten, nicht wieder in Erscheinung getreten waren.
Vielleicht lag er mit seiner Vermutung
richtig, und er war im Wald dem finsteren Herzen zu nahe gewesen. Oder aber die
Wächter hatten in ihm eine vorhandene Fähigkeit geweckt, die nun wieder dicht
unter der Oberfläche schlief. Vielleicht war aber auch alles nur ein Hirngespinst,
das sich sein Geist nach seinem schrecklichen Zweikampf ausgedacht hatte, damit
sich erklären ließ, wie er die große Bestie hatte besiegen können.
So oder so war er mittlerweile
froh, dass sich der Vorfall nicht wiederholt hatte und nur noch eine
verblassende Erinnerung war, die mit jedem Tag ein Stück weiter in die Ferne
rückte. Immer noch hatte er den Tod der Bestie lebhaft vor Augen, doch die
Einzelheiten der Ereignisse vor dem Kampf verwischten immer mehr, als würde
sich ein Nebel über sein Gedächtnis legen.
Für die Ordensritter ging das
Leben wie gewohnt weiter, und allmählich schwand Zahariels Unbehagen.
Gleichzeitig kamen ihm Lord Sartanas warnende Worte immer mehr wie die
grundlosen Spekulationen eines verbitterten Feindes kurz vor dem eigenen Ende
vor. Jagden wurden organisiert, und jeden Tag ritten
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